Es gibt in der Westschweiz das geflügelte Wort, jemanden «im Guten zu enttäuschen» – «être déçu en bien». Wenn einer diesen Ausdruck im zweiten Corona-Krisenjahr verkörpert, dann wohl SVP-Bundespräsident Guy Parmelin (62).
Vom Waadtländer Winzer wurde von vielen in seinem Jahr als Bundespräsident weniger als wenig erwartet. «I can English understand but je préfère répondre en français» sagte er einst, und lud damit nicht nur jede Menge Häme auf sich, sondern stiess auch gleich unfreiwillig eine nationale Diskussion darüber an, ob Bundesräte nicht mehrsprachig sein müssten. Und dieser Bundesrat sollte die Nation nun auf dem internationalen Parkett vertreten?
Der verlässliche Herr Parmelin
Tat er. Und das sogar sehr gut. Vom etwas unbeholfenen Bauern, der schon in Bermuda-Shorts am Bundesratsreisli aufkreuzte und dessen Sätze selbst Romands oft nicht ganz kapierten, war dieses Jahr nichts mehr zu spüren. Die Englischkenntnisse sind inzwischen deutlich besser. Albert Rösti (54), Nationalrat und Ex-SVP-Präsident, bekommt heute noch glänzende Augen, wenn er an Parmelins Rolle in Genf denkt, als die Schweiz im Sommer den US-Präsidenten Joe Biden und den russischen Staatschef Wladimir Putin zum Gipfeltreffen empfing. «Wie ein Vater neben seinen Buben stand er zwischen Biden und Putin. Ein Landesvater eben!»
Ob Parmelin diese Sorte Söhne wollen würde, sei dahingestellt. Aber die Rolle des älteren Staatsmannes, der mit den Mächtigen am Tisch sitzt, nahm man ihm tatsächlich ab. Lob kommt auch von der anderen Seite des Rates, etwa von SP-Aussenpolitiker Fabian Molina (31): «Man konnte sich auf ihn verlassen», sagt er. Parmelin habe in internationalen Gremien vertreten, was zuvor besprochen worden war – und damit die Schweiz würdig repräsentiert.
Wenn die eigene Partei Probleme macht
Die Schweiz würdig zu vertreten – das ist im Grunde genommen das Mindeste, das ein Bundespräsident tun soll. Aber auch im eigenen Land, Stichwort Corona, erfüllte Parmelin nicht die Erwartungen – im Guten. Dabei war die Ausgangslage für Parmelin keine leichte. Während ihm die Aufgabe zukam, das Land hinter sich zu einen, liebäugelte die eigene Partei immer wieder mit den Corona-Skeptikern und geisselte Gesundheitsminister Alain Berset (49) gar als Diktator – als ob keine Bürgerlichen in der Landesregierung sitzen würden. Irgendwie gelang Parmelin der Balanceakt, trotzdem schwierige Entscheide wie den Shutdown glaubwürdig zu vertreten. Er stellte sich gar schützend vor Berset, als die SVP den Gesundheitsminister frontal attackierte.
«Parmelin konnte sich in der Corona-Politik von seiner Partei abgrenzen», sagt Nationalrat Cédric Wermuth (35) – und meint es lobend, auch wenn der SP-Co-Chef nachschiebt, dass er sich «einen mutigeren Auftritt» gewünscht hätte. SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi (42) schreibt Parmelin indessen lieber die federführende Rolle beim Ende des Rahmenabkommens zu. Von Diskrepanzen zwischen der tobenden SVP auf der einen Seite und dem besonnenen Parmelin auf der anderen will er nichts hören – schliesslich habe dieser als Bundespräsident schlicht eine andere Rolle als es ein National- oder Ständerat habe. «Im Bundesrat haben er und Ueli Maurer unsere Linie immer vertreten.»
Ab Januar übernimmt nun Aussenminister Ignazio Cassis (60) das Amt. Und auch bei ihm rechnen so manche mit Fehltritten, hat er doch schon den einen oder anderen geboten. Möge er ebenfalls konsequent enttäuschen.