Magdalena Martullo-Blocher (52) musste viel Spott über sich ergehen lassen, als sie vergangene Woche forderte: «Der Bund muss den Stromkonzernen endlich anordnen, dass sie die Stauseen füllen müssen.» Ob der Bundesrat einen Regentanz aufführen solle, war noch die harmloseste Frage, die sich die SVP-Nationalrätin anhören musste.
Auch die Strombranche reagiert irritiert. «Es ist einfach, wie Frau Martullo zu fordern, die Stromunternehmen sollen die Speicherseen füllen», so Michael Frank, Direktor des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE). Doch dann solle sie sagen, wie das anzustellen sei: «Bei Pumpspeichern ist es möglich, Wasser hochzupumpen, aber die Speicherseen sind nun mal auf Niederschläge und Schmelzwasser angewiesen.»
Girod stützt SVP-Martullo
Dennoch ist Martullo-Blocher mit ihrer Meinung nicht allein. Der grüne Umweltpolitiker Bastien Girod (41), der das Heu sonst nicht auf derselben Bühne hat wie die SVPlerin, fordert: «Der Bundesrat muss bezüglich Stauseen handeln und sicherstellen, dass wir diesen wertvollen erneuerbaren Speicher für die Versorgungssicherheit nutzen.»
Aktuell ist der Füllstand vieler Schweizer Stauseen im Normalbereich. Jene im Tessin aber fallen durch einen niedrigen Füllstand auf. Und im Herbst könnten auch andere Speicherseen zu wenig Wasser aufweisen – weil viel Schnee schon geschmolzen ist und eine lange Trockenperiode herrscht.
Dazu muss man wissen: Am tiefsten sind die Seepegel normalerweise im April – weil das Wasser im Winter zur Stromerzeugung genutzt wird. Erst mit dem Tauwetter und dank Niederschlägen füllen sich die Seen wieder, bis sie im Oktober mit 80 bis 90 Prozent ihren Höchststand erreichen. Genug, um 7 bis 8 Terawattstunden (TWh) Strom zu produzieren – 10 Prozent des jährlichen Verbrauchs.
Reserve erhöhen
In einem Krisenjahr wie jetzt sind Speicherseen umso wertvoller – denn niemand weiss, ob die Schweiz im Winter genug Strom importieren kann. Das hat der Bundesrat erkannt. Er will die Stromfirmen verpflichten, eine Reserve von 500 Gigawattstunden (GWh) zurückzuhalten – genug, um eine Zeitspanne von ein bis zwei Wochen zu überbrücken.
Girod genügt das nicht. Bereits seit Juni fordert er, den Mindestpegelstand per Ende Januar auf 2 TWh zu erhöhen. Damit könnte die Versorgung für bis zu zwei Monate gesichert werden. Ende Februar soll der Mindestpegel dann noch 1,5 TWh und Ende März 1 TWh betragen müssen. So will der Zürcher die Stromkonzerne daran hindern, im Dezember und Januar, wenn die Strompreise hoch sind, zu viel zu exportieren. «Tun sie das und tritt dann der Ernstfall ein, gibt es kein anderes Mittel mehr als Rationierungen. Also müssen wir dafür sorgen, dass dann genug Strom da ist», erklärt Girod seine Forderung.
Linke und Ökos gegen Erneuerbare
Diese trifft in der Branche auf wenig Begeisterung. «Jede Staumauer, die wir nicht erhöhen konnten, jedes Windrad, das verhindert wurde, und jede Fotovoltaik-Anlage, die noch nicht aufgestellt werden konnte, rächen sich nun», sagt VSE-Direktor Frank. Er nennt keine Namen, aber es wird auch so deutlich: Er greift Grüne, Linke sowie Umwelt- und Landschaftsschutzverbände an, die grosse Energieprojekte mit Einsprachen bekämpfen.
Girod schüttelt darüber den Kopf. Er sei für zusätzliche Kapazitäten – aber er frage sich, wie man dafür mehr Akzeptanz in der Bevölkerung erreichen will, wenn nun offensichtlich wird, dass es den Konzernen nicht um Versorgungssicherheit, sondern um Gewinne geht.
Taugt Girods Vorschlag im Hinblick auf nächsten Winter etwas? Frank winkt ab. Natürlich sei es zentral, Ende Winter genügend Wasser in den Seen zu haben, um auch im März Strom zu produzieren. Die geplante Wasserkraftreserve sei aber nur zur Überbrückung vorgesehen. «Vor einer lang andauernden Strommangellage schützt sie uns nicht.»
Export verbieten
Das wiederum bringt Girod auf die Palme. Er verweist aufs Wassergesetz, wonach Wasser oder Strom aus Wasserkraftwerken nur exportiert werden darf, «wenn das öffentliche Wohl nicht beeinträchtigt wird» und der Strom «im Inland keine angemessene Verwendung findet». «Vielleicht sind sich die Betreiber dessen nicht bewusst, aber der Bund kann den Export verbieten.» Das zu verhindern, müsse doch im Interesse von allen sein.