Die Wahl eines Schulleiters in Zürich sorgte im vergangenen Sommer für nationale Schlagzeilen: Denn der gewählte SP-Mann Roberto Rodriguez (56) war gleichzeitig Präsident der Schulbehörde – ausgerechnet jenes Gremiums, das den Schulleiter bestimmte. Der Vorwurf der Vetterliwirtschaft kam schnell auf.
Für noch mehr Aufsehen sorgte jedoch, dass Rodriguez gleichzeitig eine grosszügige Abfindung kassierte – weil er das Amt des Schulpräsidenten für den Schulleiter-Posten aufgeben musste. Satte 650'000 Franken habe Rodriguez eingestrichen, berichtete der «Tages-Anzeiger» damals.
20 Amtsträger erhielten 6,7 Millionen Franken
Rodriguez' Fallschirm war sogar noch etwas goldener, wie Blick belegen kann: Er erhielt genau 687'131 Franken. Das geht aus einer Aufstellung hervor, die Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz von der Stadt Zürich verlangt hat.
Das Dokument zeigt zudem das ganze Ausmass des grosszügigen Entschädigungsregimes der Limmatstadt: Gigantische 6'680'851 Franken zahlte Zürich zwischen dem 1. Januar 2006 und dem 3. August 2021 an abgetretene oder abgewählte Behördenmitglieder. Die Summe ist sogar noch grösser: Eine Person hat gegen die Herausgabe der Daten Beschwerde eingereicht und wird deshalb nicht aufgeführt.
Auf der nun 20 Namen umfassenden Liste rangiert Rodriguez sogar nur auf Platz 3. Die ehemalige Stadträtin Claudia Nielsen (60) erhielt 856'657 Franken, nachdem sie 2018 unter massiver Kritik an ihrer Amtsführung einen Monat vor den Erneuerungswahlen ihren Rücktritt bekannt gegeben hatte. Acht der Namen auf der Liste sind ehemalige Stadträte, von Monika Stocker (73, Grüne) bis hin zu Gerold Lauber (65, Mitte).
900'000 Franken für acht Jahre Vormundschaft
Den Spitzenplatz belegt allerdings kein Ex-Mitglied der Stadtregierung. Peter L.* (64) erhielt satte 905'246 Franken. L. , der aus Gründen der persönlichen Sicherheit namentlich nicht genannt werden möchte, amtete von 2004 bis 2012 als Mitglied der Vormundschaftsbehörde, der Vorgängerorganisation der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb). Seine Abgangsentschädigung entsprach 4,8 Jahresgehältern – das absolute Maximum, das die Stadt vorsieht.
Knapp eine Million Franken – ein rechter Batzen! L. selbst will sich zu der Summe nicht äussern. Klar ist: Seine Entschädigung fiel unter anderem deshalb so hoch aus, weil L. der Einzige ist, der unfreiwillig aus dem Dienst schied.
Dank Parteibuch zum goldenen Fallschirm?
Das kam so: Mit der Ablösung der Vormundschaftsbehörde durch die Kesb wurde auch das Wahlprozedere geändert. Bis dahin hatte der Gemeinderat die Mitglieder der Behörde gewählt – und zwar nach Parteienproporz. L. trat jeweils als Kandidat der SVP an. Doch die Kesb sollte nicht mehr nach Parteibuch, sondern nach fachlichen Kriterien besetzt werden – und zwar von der Stadtregierung. Oder, wie L.s Anwalt schreibt, «in der Stadt Zürich bekanntlich mit klaren Mehrheitsverhältnissen zugunsten von Rot-Grün».
Das Ausscheiden sei «auf gewisse Spannungen zurückzuführen» gewesen, «denen ein politisches Machtspiel zugrunde lag und die nicht das Geringste mit den Fähigkeiten oder Leistungen und dem Verhalten meines Mandanten zu tun hatten». Im Klartext: L. mit einem SVP-Parteibuch sei der linken Regierung nicht genehm gewesen. Die Stadt Zürich will sich mit Berufung auf personalrechtliche Gründe nicht zum Fall äussern.
Zürich geht über die Bücher
Fakt ist jedoch: L. schied nicht freiwillig aus dem Amt, sondern verhandelte mit der Stadt über eine Abgangsentschädigung und weitere «sämtliche Ansprüche, die ihm zustanden», so sein Anwalt. «So kam es schliesslich zu einem sechsstelligen Gesamtbetrag.»
Solche goldenen Fallschirme gehen mittlerweile selbst der Stadt Zürich zu weit. Sie ist derzeit daran, ihr Reglement anzupassen. Statt maximal 4,8 Jahreslöhne sollen Mitglieder der Stadtregierung, der Schulbehörden und andere Amtspersonen «nur noch» 2,8 Jahreslöhne zugut haben. Angestossen haben das zwei SVP-Gemeinderäte.
* Name der Redaktion bekannt
Die Stadt Zürich ist bei den Abgangsentschädigungen spendabel – noch. Derzeit ist eine Änderung des Reglements in Arbeit. Neu soll es weniger Geld geben. Wer nach vier bis sieben Jahren freiwillig aus dem Amt scheidet, soll noch höchstens eine Abfindung von einem Jahreslohn erhalten. Bis jetzt liegt das Maximum bei 1,6 Jahreslöhnen.
Am grössten werden die Unterschiede bei langjährigen Behördenmitgliedern sein, die abgewählt werden. Das Maximum liegt heute bei 4,8 Jahreslöhnen, wenn die Person mehr als acht Amtsjahre auf dem Buckel hat und beim Abtritt 55 Jahre alt ist. Neu soll das auf 2,8 Jahreslöhne gekürzt werden.
Wer Anspruch hat
Anspruch auf einen goldenen Fallschirm haben Mitglieder der Stadtregierung, die Ombudsperson, die oder der Datenschutzbeauftragte, Friedensrichterinnen und Friedensrichter sowie die Präsidentinnen und Präsidenten der Kreisschulbehörden.
Abgangsentschädigungen kennt aber nicht nur die Limmatstadt. Vor fünf Jahren machte in Basel der Fallschirm für den ehemaligen Stadtentwickler Thomas Kessler (61) Schlagzeilen. Dieser soll zwei Jahreslöhne, etwas mehr als 400'000 Franken, kassiert haben. Gängig sind die Entschädigungen aber nicht.
Alternative Ruhegehalt
Die Stadt Bern kennt Abgangsentschädigungen oder Ruhegehälter für Mitglieder der Stadtregierung. Auch hier können stattliche Summen zusammenkommen. Das maximale Ruhegehalt beträgt 60 Prozent des Jahresgrundlohns. Anspruch hat, wer mit 55 oder älter und mit einer Amtsdauer von mindestens zwölf Jahren nicht wiedergewählt wird oder zurücktritt. Der Anspruch auf ein Ruhegehalt erlischt allerdings mit Erreichen des Rentenalters. Anderes Erwerbseinkommen muss angerechnet werden.
Ganz ähnlich ist die Regelung für alt Bundesräte: Diese erhalten ein Ruhegehalt in der Höhe des halben Lohns, also rund 220'000 Franken, falls sie nach ihrem Rücktritt keiner anderen lukrativen Tätigkeit nachgehen. (sf)
Die Stadt Zürich ist bei den Abgangsentschädigungen spendabel – noch. Derzeit ist eine Änderung des Reglements in Arbeit. Neu soll es weniger Geld geben. Wer nach vier bis sieben Jahren freiwillig aus dem Amt scheidet, soll noch höchstens eine Abfindung von einem Jahreslohn erhalten. Bis jetzt liegt das Maximum bei 1,6 Jahreslöhnen.
Am grössten werden die Unterschiede bei langjährigen Behördenmitgliedern sein, die abgewählt werden. Das Maximum liegt heute bei 4,8 Jahreslöhnen, wenn die Person mehr als acht Amtsjahre auf dem Buckel hat und beim Abtritt 55 Jahre alt ist. Neu soll das auf 2,8 Jahreslöhne gekürzt werden.
Wer Anspruch hat
Anspruch auf einen goldenen Fallschirm haben Mitglieder der Stadtregierung, die Ombudsperson, die oder der Datenschutzbeauftragte, Friedensrichterinnen und Friedensrichter sowie die Präsidentinnen und Präsidenten der Kreisschulbehörden.
Abgangsentschädigungen kennt aber nicht nur die Limmatstadt. Vor fünf Jahren machte in Basel der Fallschirm für den ehemaligen Stadtentwickler Thomas Kessler (61) Schlagzeilen. Dieser soll zwei Jahreslöhne, etwas mehr als 400'000 Franken, kassiert haben. Gängig sind die Entschädigungen aber nicht.
Alternative Ruhegehalt
Die Stadt Bern kennt Abgangsentschädigungen oder Ruhegehälter für Mitglieder der Stadtregierung. Auch hier können stattliche Summen zusammenkommen. Das maximale Ruhegehalt beträgt 60 Prozent des Jahresgrundlohns. Anspruch hat, wer mit 55 oder älter und mit einer Amtsdauer von mindestens zwölf Jahren nicht wiedergewählt wird oder zurücktritt. Der Anspruch auf ein Ruhegehalt erlischt allerdings mit Erreichen des Rentenalters. Anderes Erwerbseinkommen muss angerechnet werden.
Ganz ähnlich ist die Regelung für alt Bundesräte: Diese erhalten ein Ruhegehalt in der Höhe des halben Lohns, also rund 220'000 Franken, falls sie nach ihrem Rücktritt keiner anderen lukrativen Tätigkeit nachgehen. (sf)