Darum gehts
- Schweiz von Trumps Zollhammer härter getroffen als EU, Bundesrat enttäuscht
- Keller-Sutter traf Trump 2018, er kritisierte Schweizer Wirtschaftspolitik
- Staatssekretärin Budliger Artieda fliegt am Sonntag in die USA
Die Schweiz setzt auf das Prinzip Hoffnung. Im Januar sagte Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) in der SRF-«Arena», man müsse nicht alles wörtlich nehmen, was Donald Trump (78) sage. Im Februar, am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz, lobte sie die europafeindliche Rede von Trumps Vize J. D. Vance (40) als liberal. Seit Trumps Zollhammer von Mittwochabend ist Keller-Sutter «enttäuscht». Die Bundespräsidentin klingt, als ginge es um eine unerwiderte Liebe. Die Hoffnung des Bundesrats, einen besonderen Platz in Trumps Herzen zu haben, hat sich als naiv herausgestellt. Besonders bitter: Die Schweiz trifft es deutlich härter als die von Trump so verhasste EU.
Keller-Sutter hätte es wissen müssen – für sie ist Donald Trump kein Unbekannter. 2018 war sie als Ständeratspräsidentin beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos GR und schüttelte Trump kurz die Hand. Der interessierte sich damals allerdings nicht sonderlich für die FDP-Politikerin. Nun muss Keller-Sutter als Bundespräsidentin versuchen, in Washington das Beste für die Schweiz herauszuholen. Keine grosse Hilfe ist ihr Aussenminister Ignazio Cassis (63) – er hat immer noch nicht mit seinem US-Kollegen Marco Rubio (53) telefoniert.
Die Gespräche mit Washington dürften schwieriger werden als 2018 – schon damals war Trump nicht gut auf die Schweiz zu sprechen. Während des WEF nahm sich der US-Präsident den damaligen Bundespräsidenten Alain Berset (52) zur Brust. Trump warf der Schweiz Währungsmanipulation mit dem Franken vor, kritisierte den Überschuss in der helvetischen Handelsbilanz, wütete über die Schweizer Agrarpolitik und hielt Berset sogar vor, Skilifte nach Nordkorea zu exportieren. Trumps Faible für Fakten hielt sich schon damals in Grenzen.
Massive Folgen für die Schweiz
Die Folgen von Trumps Zollhammer sind für die Schweiz massiv. Die ETH-Konjunkturforschungsstelle (KOF) ging im Oktober davon aus, dass Trumps Handelszölle jeden Schweizer mindestens 200 Franken pro Jahr kosten. Nun geht die KOF von einem «sehr viel höheren» Betrag aus, sollte China bei seinen Gegenmassnahmen bleiben und der Zollkonflikt länger andauern oder gar eskalieren.
Laut HSG-Ökonom Johannes Fritz (42) vom «Global Trade Alert» ist die Schweiz gemessen an den tatsächlichen Exporten weltweit am drittstärksten von Trumps Zollhammer betroffen – nach Vietnam und Thailand. «Die Schweiz exportiert zum Beispiel viel Kaffee in die USA. Kolumbien ist auch ein Kaffeeland, hat aber nur Zölle von zehn Prozent aufgebrummt bekommen», sagt Fritz im Gespräch mit Blick. Ähnlich sei es beim Maschinenbau – hier konkurriere die Schweiz mit der EU, die zwölf Prozentpunkte günstiger als die Schweiz wegkommt.
Klimawandel in den transatlantischen Beziehungen
Unabhängig von der politischen Wetterlage muss sich die Schweiz auf einen Klimawandel in den transatlantischen Beziehungen einstellen. Bevor Trump seinen Zollhammer verkündete, traf sich der Bundesrat zu einer geheimen Klausur. Als Gast dabei waren der ehemalige Schweiz-Botschafter in Washington, Martin Dahinden (70), und der frühere Nationalbankchef und heutige Blackrock-Vizepräsident Philipp Hildebrand (61).
Wie Blick in Erfahrung brachte, empfahl Dahinden dem Bundesrat, einen kühlen Kopf zu bewahren. Schritt für Schritt müsse nun eine Beziehung zur neuen US-Administration aufgebaut werden. In früheren Interviews hatte Dahinden betont, die Schweiz sei als Investor für die USA bedeutender als Frankreich oder Italien: «Das wissen viele Amerikaner nicht, also muss man es betonen.»
Diskussion über die F-35
Philipp Hildebrand hingegen zeigte sich deutlich pessimistischer – gerade hinsichtlich der Sicherheitslage und des künftigen transatlantischen Verhältnisses. Die Schweiz müsse einen Beitrag zur europäischen Aufrüstung leisten – unter anderem stellte der frühere Nationalbankchef die Anschaffung des amerikanischen Kampfjets F-35 zur Diskussion.
In europäischen Hauptstädten geht die F-35-Debatte weiter. «Zu lange sind Angebote aus Paris für eine gemeinsame europäische Verteidigungsfähigkeit unbeantwortet geblieben», sagte Ulrich Schlie (59), ehemaliger Planungsstabchef im deutschen Verteidigungsministerium, diese Woche bei einer Militärtagung in Paris. Europa müsse sich so weit wie möglich von US-Systemen unabhängig machen – dies betreffe auch die F-35-Produktion. Doch dass die Schweiz die F-35-Übung abbricht, gilt als unwahrscheinlich – dies wäre in Trumps Augen ein Bruch der Verträge. Der Bundesrat will sich hierzu nicht äussern und beruft sich auf die Vertraulichkeit der Klausur.
Orangen aus Florida
Die Schweiz setzt also weiter auf das Prinzip Hoffnung – und stellt sich auf das Bohren dicker Bretter ein. Bereits diesen Sonntag fliegt nach Informationen von Blick Staatssekretärin Helene Budliger Artieda (60) erneut in die USA, um gut Wetter zu machen. Mit schnellen Erfolgen ist nicht zu rechnen, Handelsdiplomatie braucht viele Reisen und viel Zeit. In gut zwei Wochen sind Bundespräsidentin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) ebenfalls in Washington. In Bern werden einstweilen «kreative Lösungen» herumgereicht – angefangen von einem Schweizer Golfspieler, der Trump zur Vernunft bringen könne, bis hin zu der Idee, Unternehmen könnten mehr in den USA investieren oder Orangen aus Florida importieren.