FDP-Politiker Frédéric Borloz (57), der für das Bildungswesen zuständige Staatsrat des Kantons Waadt, hat einen ziemlichen Aufschrei verursacht. Der FDP-Politiker hat politische Debatten zwischen Kandidatinnen und Kandidaten an Ausbildungsstätten vor Schülern untersagt. Und das bis zu den eidgenössischen Wahlen am 22. Oktober.
Gymnasien müssen Podien wieder absagen, die sie für Schülerinnen und Schüler organisiert haben.
Manipulation befürchtet
Der Entscheid des Bildungsdirektors rief besonders bei der Linken Empörung hervor. SP-Präsident Romain Pilloud (27) erklärte, dass kontradiktorische Debatte, bei der alle politischen Meinungen gehört werden, nichts mit «Propaganda» zu tun hätten. «Im Gegenteil, sie sind belebende Momente, die es den Jugendlichen ermöglichen, sich mit Bürgerfragen auseinanderzusetzen», sagte er.
Alice Genoud (31, Grüne) bezeichnete den Beschluss als «Angriff auf die Freiheit» der Schulen. Hadrien Buclin (Ensemble à Gauche) sprach von einer Bevormundung der Schüler, da diese sehr wohl in der Lage seien, sich widersprüchlichen Debatten zu stellen.
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Die bürgerliche Mehrheit im Rat unterstützte Borloz. Die SVP-Politikerin Céline Baux (54) sagte, dass Debatten in Wahlkampfzeiten «Manipulation» seien. Für den Freisinnigen François Cardinaux (65) «ist die Schule ein Ort zum Lernen, nicht um dort Politik zu machen».
«Soll die Politik bleiben lassen»
Nun erhielten die Linken ausserkantonale Unterstützung von Mitte-Präsident Gerhard Pfister (60). Dieser teilt gegen Borloz Entscheid kräftig aus und kritisierte, dass dessen Haltung nicht liberal sei. «Ich war gestern an einem Podium der Kantonsschule Zug, das fair und ausgewogen war. Wer Angst vor jungen Politikinteressierten hat, soll die Politik bleiben lassen», so Pfister weiter.
Auch Professor Claudio Caduff (67) von der Pädagogischen Hochschule Zürich hält den Waadtländer Entscheid für problematisch. Wie er gegenüber SRF sagt, friste politische Bildung an den Schulen immer noch ein Schattendasein.
Gelebte Politik
«Schülerinnen und Schüler gehen nicht häufig ins Parlament und lesen in der Regel keine Zeitung. Gelebte Politik erlebt man aber nur in solchen Debatten. Das sollten die Lernenden unbesehen vom Zeitpunkt auch erleben können», sagt Caduff gegenüber SRF.
Offenbar steht die Waadt mit ihrem Entscheid ziemlich alleine da. So ist sonst kein Kanton bekannt, der ein solch rigides Verbot kennt.
Eher das Gegenteil ist der Fall: Im Kanton Zürich werden Debattieren als ein wichtiger Teil der politischen Bildung gesehen, weshalb die Zürcher Bildungsdirektion das Projekt «Rede mit!» unterstützt. Diese organisiert Podiumsdiskussionen und will damit die politische Teilhabe von jungen Menschen fördern. (sie)