Genfer Malaise
Lehrerin zeigt im Unterricht den Hitlergruss – und wird wieder eingestellt

Eine Lehrerin des Genfer Collège de Drize war angezeigt worden, nachdem sie im Unterricht einen Hitlergruss gezeigt hatte. Seit März ist sie wieder an derselben Schule tätig. Das Unbehagen in der Politik ist spürbar.
Publiziert: 19.05.2022 um 07:58 Uhr
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Warum konnte die Lehrerin ihre Arbeit wieder aufnehmen? Zu diesem Zeitpunkt weiss das niemand so genau. Im Bild eine Klasse in der Sekundarschule Drize in Carouge.
Foto: Keystone/DR
Amit Julliard

2020 kam es in der Sekundarschule Drize in der hübschen Genfer Vorstadt Carouge zu einem weniger hübschen Vorfall: Eine Lehrerin brüllte im Unterricht «Heil Hitler» und zeigte dabei den Hitlergruss.

Gemäss der Familie eines Schülers soll die Lehrerin ihren Schützlingen zudem gesagt haben: «Was ist mit dem Ende des Krieges? Die Juden haben Land auf der ganzen Welt zurückerhalten, das ihnen nicht gehörte, während die Nazis nichts bekommen haben.»

Der Vorfall wurde in den Jahresbericht 2020 der Westschweizer Koordinationsstelle gegen Antisemitismus und Diffamierung (Cicad) aufgenommen, wo auch die Lehrerin zum Vorwurf Stellung nehmen konnte. Sie erklärte ihren Ausbruch damit, dass sie die Ruhe im Klassenzimmer habe wahren wollen. Darauf berichteten mehrere Westschweizer Medien über den Vorfall.

Nun ist sie wieder da

Die Genfer Bildungsdirektorin Anne Emery-Torracinta (63, SP) soll zudem gegen die Lehrerin ein Verfahren eröffnet haben, schrieb die Cicad weiter in ihrem Bericht. Wie Blick-Recherchen zeigen, war die Frau tatsächlich suspendiert. Doch: Nun ist sie wieder da.

Johanne Gurfinkiel, Generalsekretär der CICAD, drückt seine Bestürzung und sein Unverständnis aus.
Foto: Keystone

Wie kann das sein? Pierre-Antoine Preti, Sprecher der Genfer Bildungsdirektion, gibt sich zurückhaltend: Zu persönlichen Dossiers werde nicht kommuniziert. Personendaten würden unter einem besonderen Schutz und einem eingeschränkten Recht auf Weitergabe an Dritte unterliegen.

Cicad-Generalsekretär Johanne Gurfinkiel hingegen ist «schockiert»: Er sei über die Wiedereinstellung informiert worden. «Ich bin bestürzt, dass eine Lehrerin, die disziplinarisch bestraft wurde, ihre Tätigkeit wieder aufnehmen kann, und zwar im selben Kollegium, mit wahrscheinlich denselben Schülern», sagt er. «Als ob nichts geschehen wäre!»

Das Verhalten der Lehrerin sei skandalös, fügt er an. Die Strafe müssen in einem angemessenen Verhältnis dazu stehen.

Kantonsregierung wird befragt

Die Nachricht schlägt auch in politischen Kreisen ein. Bildungspolitikerin Ana Roch zeigt sich verblüfft. Es sei erstaunlich, dass die Lehrerin ihren Posten zurückbekomme. Dabei habe sich die Frau offenbar nicht einmal für ihr Verhalten entschuldigt. Zudem sei es unglücklich, sie wieder in die gleiche Schule zu stecken.

Die ehemalige Präsidentin des Mouvement Citoyens Genevois (MCG) will in der nächsten Parlamentssitzung eine Anfrage einreichen: «Es wäre interessant zu wissen, ob es Sanktionen gegeben hat.» Auch der Sozialdemokrat Romain de Sainte Marie hebt die Augenbrauen: «Wenn diese skandalöse Tat durch eine Untersuchung bestätigt wurde und keine Massnahmen ergriffen wurden, wundert mich das. Eine so schwerwiegende Tat wie diese kann nicht ohne Konsequenzen bleiben.»

Ana Roch (MCG) hat kein Verständnis für die Wiedereinstellung der Lehrerin, die zudem noch in derselben Schule unterrichtet.
Foto: DR

FDP-Kollege Alexandre de Senarclens geht noch weiter: «Wenn die Fakten überprüft werden konnten, dann hat diese Lehrerin nichts mehr im öffentlichen Dienst zu suchen!» Die Bildungsdirektion dürfe bei Antisemitismus kein Pardon kennen, «und ich fordere sie auf, klare Sanktionen auszusprechen». Auch für SVP-Parlamentarier Thomas Bläsi ist das Verhalten der Lehrerin «absolut inakzeptabel».

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