Die Schweizer Tourismusverbände lassen keinen Zweifel offen: Von einem Rollkofferverbot in beliebten Touristendestinationen halten sie gar nichts. Ein solches hatte der Luzerner SP-Nationalrat David Roth (39) angeregt: «Es ist eine unglaubliche Unsitte, dass Menschen ganze Strassenzüge, ihre Bewohnerinnen und Bewohner sowie alle anderen Anwesenden beschallen, weil sie ihre eigene Faulheit, ihren Koffer zu tragen, höher gewichten als das Bedürfnis aller anderen, die Umgebung zu geniessen oder auch nur miteinander zu sprechen», so Roth.
Die Idee ist nicht ganz neu. Schon die kroatische Stadt Dubrovnik hat vergangenes Jahr ein solches Verbot ausgesprochen und damit Schlagzeilen gemacht. Es war eine Reaktion auf den Massentourismus, der derzeit gerade auch die Einheimischen in mehreren spanischen Städten auf die Strassen treibt. Und auch SPler Roth hat von den Folgen des «Overtourism» in Luzern die Nase voll und fordert Konsequenzen.
Mehrwert auch für Bevölkerung schaffen
Von solchen Einschränkungen für die Hunderttausenden Gäste aus dem Ausland aber wollen die Tourismusverbände nichts wissen. «Wir finden das Thema ‹Tourismusakzeptanz› wichtig», versichert etwa Letizia Elia, Direktorin von Basel Tourismus. Der Verband stehe daher in regelmässigem Austausch mit der lokalen Bevölkerung. «Es ist uns wichtig, mit unseren Aktivitäten und Produkten auch einen Mehrwert für die Baslerinnen und Basler zu schaffen.»
Ähnlich tönt es aus Bern. Naturgemäss wollen die Tourismusverbände von Problemen mit Touristen nichts wissen: «Wir verstehen Tourismus als bereicherndes Zusammentreffen von Menschen, geprägt von Neugier und Interesse füreinander sowie für den Lebensraum und die Kultur», so Manuela Angst, CEO von «Welcome Bern». Für den Verband stehe ein nachhaltiger, authentischer und vor allem bevölkerungsverträglicher Tourismus im Vordergrund.
In Zürich wiederum gebe es keine klassischen Hotspots, weshalb sich die Besucher über die verschiedenen Reiseziele in der ganzen Stadt und Region hinweg verteilen würden, erklärt Michael Müller von Zürich Tourismus. «Damit nimmt man in Zürich vergleichsweise selten grosse Touristengruppen wahr.»
Nur zeitlich und lokal begrenzte Engpässe
Noch so gerne verweisen die einzelnen Verbände denn auch auf eine im Juli von Schweiz Tourismus veröffentlichte Umfrage. Immerhin kommt diese zum gewünschten Ergebnis: Dem Tourismus werde in der Schweiz eine grosse Bedeutung attestiert. Nur einer Minderheit von fünf Prozent bereite er Sorgen. Diese nehme die Branche trotzdem ernst und gehe proaktiv dagegen vor. Immerhin sei «Overtourism» auch in der Schweiz ein Thema.
Bei uns aber gebe es Massentourismus nicht flächendeckend. «Die Phänomene hierzulande sind zeitlich und lokal begrenzte Engpässe, der Branche und Schweiz Tourismus wohlbekannt», betont Martin Nydegger, Direktor von Schweiz Tourismus. «Wir nehmen diese Situationen vor Ort sehr ernst. Unseren Tourismus betreiben wir nicht neben, sondern mit der Bevölkerung».
Gibt es Probleme mit Tourismus, gehe es meist um Teuerung, Littering, knappen Wohnraum, Verkehrsprobleme oder Umweltschäden. «Vor allem bei Befragten in den Tourismuszentren sind diese Themen präsent», räumt Schweiz Tourismus ein. «Von der Bevölkerung punktuell wahrgenommen wird zudem eine gewisse Respektlosigkeit von Touristinnen und Touristen – sei es gegenüber den Befragten, deren Familien oder auch dem eigenen Land, der Umwelt gegenüber.» Ein Rollkofferverbot aber wird gemäss Umfrage nicht gefordert.