Es wird schwer, den Selbstversorgungsgrad hochzuhalten
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Bauer zum Ausbau der Autobahn:«Es wird schwer, den Selbstversorgungsgrad hochzuhalten»

Für weniger Stau verlieren Bauern wie Urs und Pirmin Bobst aus Oensingen SO wertvolles Kulturland
Ihr Zwiebelfeld muss der Autobahn weichen

Über fünf Milliarden Franken wollen Bundesrat und Parlament in den weiteren Ausbau der Autobahnen stecken. Für Landwirte ist der Entscheid bitter. Sie müssen wertvolles Ackerland hergeben – so wie Bauer Pirmin Bobst aus Oensingen SO.
Publiziert: 17.10.2023 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2023 um 14:48 Uhr
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Bauer Pirmin Bobst muss wegen des geplanten Ausbaus der A1 Land hergeben.
Foto: Thomas Meier

An den Lärm hat sich Pirmin Bobst (49) längst gewöhnt. Von morgens früh bis abends spät rauschen im Schnitt 90'000 Autos und Lastwagen an seinem Hof in Oensingen SO vorbei. Oder sie kriechen.

Die A1 zwischen Härkingen und Luterbach ist einer der am stärksten überlasteten Strassenabschnitte der Schweiz. Rund drei Stunden täglich herrscht Stau. Bereits vor fünf Jahren hat der Bund darum beschlossen, die Autobahn von vier auf sechs Spuren zu erweitern. Das Projekt ist seit wenigen Wochen rechtskräftig. Für Landwirt Bobst bedeutet das: Wo heute Zwiebeln und Knoblauch wachsen, donnern bald 40-Tönner über den Asphalt. Auf einer Länge von 800 Metern verliert er wegen der Autobahn Ackerland.

5,3 Milliarden für neue Spuren

So wie Bobst geht es vielen Bauern. Die A1 im Gäu, zwischen Jurasüdfuss und Aare, wird von Äckern gesäumt. Insgesamt geht durch den Ausbau eine Anbaufläche in der Grösse von rund 16 Fussballfeldern verloren. Auch in anderen Regionen der Schweiz muss wertvolles Kulturland weiteren Spuren weichen. Eben erst hat das Parlament beschlossen, 5,3 Milliarden Franken für breitere Strassen lockerzumachen. Fast eine Milliarde mehr, als der Bundesrat für den nächsten Ausbauschritt vorgesehen hatte.

Mit dem Geld soll unter anderem ein weiteres Teilstück der A1, der Abschnitt zwischen Bern-Wankdorf und Schönbühl BE, von sechs auf acht Spuren ausgebaut werden. Ausserdem hat der Nationalrat im September einen Vorstoss von SVP-Nationalrat Erich Hess (42) angenommen, der einen generellen Ausbau der A1 zwischen Bern und Zürich sowie Lausanne und Genf auf sechs Spuren fordert.

Die Autobahn – Segen und Fluch zugleich

Mehr Spuren, weniger Stau – das erhoffen sich die Befürworter. Auch Pirmin Bobst, der grösste Steckzwiebelproduzent im Land, sieht ein, dass es so nicht weitergehen kann. Der Ausweichverkehr habe in den letzten Jahren extrem zugenommen. «Früher gab es im Dorf ab und zu Stau – jetzt jeden Tag», erzählt er.

Bobst führt den Hof in vierter Generation. Sein Vater Urs Bobst (76) kann sich noch erinnern, wie Oensingen aussah, bevor die Ost-West-Achse das Dorf durchschnitt. Vielleicht fällt es ihm deshalb schwerer als seinem Sohn, sich damit abzufinden, dass in ein paar Jahren die Bagger vorfahren und das Zwiebelfeld zubetonieren.

Zwar findet auch Pirmin Bobst den Verlust all der Landwirtschaftsfläche eine «Katastrophe». Die Bauern in der Region haben in den vergangenen Jahren Mahnfeuer organisiert, der damaligen Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga (63) einen offenen Brief geschrieben, im Kantonsparlament für eine Lösung gekämpft. Doch Bobst sagt auch: «Unter dem Strich hat uns die Autobahn Wohlstand gebracht. Auch uns Bauern.»

Bauern erhalten Ersatz

Wobei nicht nur die zusätzlichen Spuren Ackerland kosten. Im Gäu kommt vieles zusammen: Auch die vorgesehene Renaturierung der Dünnern, die parallel zur A1 fliesst, eine geplante Umfahrung und ein riesiges Bauprojekt der Migros treffen die Landwirte in der Region.

Für all das Land, das ihnen wegen Projekten von Bund oder Kantonen verloren geht, erhalten die Bauern Ersatz. Allerdings nicht etwa Geld, sondern Land. Die sogenannte Landumlegung ist kompliziert. «Von allen Parzellen werden Proben genommen und Bodenpunkte verteilt», erklärt Pirmin Bobst. Hat der Boden auf dem neuen Acker weniger Punkte, erhält der Bauer dafür etwas mehr Land. Der Tausch ist möglich, weil Kanton und Bund in der Gegend über Land verfügen. Wortwörtlich Bauernopfer sind jene, die diese Felder heute bewirtschaften.

«Wir haben einigermassen Glück»

«Wir haben einigermassen Glück, dass wir das so lösen können», sagt Bobst. Die Lösung sei fair, findet er. Knapp zwei Drittel der 124 betroffenen Grundeigentümer stimmten an einer ersten Versammlung im September dafür.

Verkehrsminister Albert Rösti (56) will alles daransetzen, den Bauern für sogenannte Fruchtfolgeflächen, besonders wertvolles Ackerland also, Land zum Tausch anbieten zu können. Wobei er einräumt, dass das «vielleicht nicht in allen Punkten möglich» sein werde. Das Bundesamt für Strassen (Astra) selbst verfügt nur über wenig landwirtschaftlich nutzbare Flächen, die man tauschen könnte. Man sei da auf Kantone und Gemeinden angewiesen, so Astra-Sprecher Thomas Rohrbach.

Ist Landtausch nicht möglich und kommt keine gütliche Lösung zustande, werden die Bauern enteignet. Für das Land, das ihnen genommen wird, erhalten sie vom Bund eine von einem speziellen Gericht festgelegte Entschädigung.

Landwirtschaftsflächen schrumpfen

Doch auch wenn die Bauern für das verlorene Land neues erhalten: Die Landwirtschaftsfläche, die für die neuen Spuren zubetoniert wird, ist weg. Zwischen 1985 und 2018 sind die Landwirtschaftsflächen in der Schweiz um sieben Prozent geschrumpft. Autobahnen und andere Strassen brauchten im selben Zeitraum 15 Prozent mehr Platz.

Es ist eine Entwicklung, die dem Solothurner Bauern Pirmin Bobst Sorgen bereitet. Bei all der Fläche, die verloren geht, werde es immer schwieriger, genügend Nahrungsmittel herzustellen. Und dann seien nicht nur die Bauern, sondern alle die Verlierer.

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