Für SP-Mitglieder werden die Affären zu viel
Parteibasis kritisiert eigenen Bundesrat Berset

Die SP-Spitze vermutet hinter der Corona-Leaks-Affäre Machenschaften der SVP. Für die Basis der Genossen sind die Eskapaden des Bundespräsidenten aber eine zunehmende Belastung für die Partei.
Publiziert: 22.01.2023 um 14:38 Uhr
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Der Rückhalt von SP-Bundesrat Alain Berset bei seiner Parteibasis schwindet.
Foto: REUTERS

Spurlos geht die Affäre um die Corona-Leaks an den Sozialdemokraten nicht vorbei. Der frühere Kommunikationschef von SP-Bundesrat Alain Berset (50) soll Ringier-Chef Marc Walder laufend mit Informationen über Massnahmen während der Covid-Pandemie versorgt haben.

Wenn Berset und dessen Ex-Sprecher Peter Lauener (52) täglich in den Medien kritisiert werden, lässt das zumindest die Basis nicht kalt. Sie will Klarheit darüber, welche Informationen und in welchem Umfang an den CEO von Ringier, das auch den Blick herausgibt, geflossen sind.

Belastung für die Genossen

Wie die «NZZ am Sonntag» schreibt, sehen Parteimitglieder die SP vor einem schwierigen Wahljahr. Berset, in diesem Jahr Bundespräsident, droht zur Belastung für die Genossen zu werden.

So tut die SP-Spitze, was sie tun muss – und versucht, die Tragweite des Skandals verbal einzudämmen und so den Kollateralschaden für die Parlamentswahlen vom 22. Oktober möglichst kleinzuhalten.

Die SVP hingegen sieht in den 180 Nachrichten, die laut der «Schweiz am Wochenende» zwischen Lauener und Walder ausgetauscht wurden, eine Staatsaffäre. Ebenso kritisch berichten verschiedene Medien. Das hat Folgen: «Natürlich sind das nicht tolle News», sagt die Aargauer SP-Lokalpolitikerin Lucia Engeli zur «NZZ am Sonntag». Es sei wichtig, «dass das aufgeklärt wird». Für sie steht die SP für Transparenz ein. «Da darf man auch die eigenen Leute nicht schonen», sagt Engeli.

«Eine Affäre zu viel»

«Diese Affäre ist eine zu viel», sagt der Grenchner Gemeinderat Daniel Hafner. «Das wird im Wahljahr auf die SP zurückfallen», ist er überzeugt. Und für die Grenchner SP-Präsidentin Angela Kummer ist Bundesbern zwar weit weg, die Vorkommnisse für die Partei seien «aber sicher nicht gut», räumt sie ein.

Für SP-Gemeinderat Hafner scheint Berset die Bodenhaftung verloren zu haben. «Er hat sich dünkelhaft entwickelt», findet er. «Der Name SP ist mit Anstand und Integrität verbunden. Und ich erwarte, dass auch unsere Bundesräte und die Parteispitze diese Werte vertreten», wird er deutlich.

Blick-Chef Dorer widerspricht

Zwar finden laut der «NZZ am Sonntag» verschiedene Parteigänger, die Affäre werde von den Medien aufgebauscht. Doch zahlreiche Voten seien erstaunlich kritisch: «Das Problem ist die Menge an Geschichten», so das SP-Mitglied Cyrille Meier aus Wohlen AG. Die Affäre habe «staatspolitische Folgen», sagt er der Zeitung gar. Es gehe nicht mehr einfach um das Privatleben von Bundesrat Berset.

Der Hauptvorwurf im Skandal lautet, Bersets Departement habe dem Ringier-Chef die vertraulichen Informationen weitergegeben, damit die Blick-Redaktion die öffentliche Meinung in Bersets Sinn beeinflusst. So habe Berset Druck auf den Gesamtbundesrat ausüben wollen. Christian Dorer (47), Chefredaktor der Blick-Gruppe, widersprach dieser Darstellung in einem Statement auf der Blick-Titelseite unter dem Titel «Niemand beeinflusst Blick!».

Parteispitze ist zurückhaltend

Weniger auskunftsfreudig als die SP-Basismitglieder waren Ende Woche gegenüber der «NZZ am Sonntag» verschiedene Parteiaushängeschilder wie die einstige SP-Ständerätin Pascale Bruderer (45) und Gewerkschaftschef und Nationalrat Pierre-Yves Maillard (54). Letzterer – sonst immer für ein scharfes Statement zu haben – hatte für einmal gar nichts zu sagen. Auch Co-Parteipräsident Cédric Wermuth (36) habe sich nicht zum Thema äussern wollen.

Intern scheint Bersets Verhalten jedoch zunehmend zum Thema zu werden. (pt)

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