Das ist dreist! Den Rentnern missgönnt das Parlament einen Fünfliber mehr im Monat. Der Nationalrat wollte am Mittwoch von einem vollen Teuerungsausgleich bei der AHV nichts wissen. Es wäre um fünf bis zwölf Franken im Monat gegangen. Am Donnerstag zog der Ständerat nach.
Geht es um die eigenen Interessen, dann scheint die Sache aber plötzlich ganz anders auszusehen. Wie Blick erfahren hat, hat das Büro des Ständerats schon am Montag mit deutlicher Mehrheit beschlossen, die parlamentarische Initiative «Teuerungsausgleich für die Einkommen und Vorsorge der Ratsmitglieder» zu ergreifen.
Auch Nationalratsspitze will mehr Geld
Dabei dürfte es um ein bisschen mehr gehen als nur einen Fünfliber.
Im Durchschnitt bezieht ein Nationalrat heute 132'500 Franken im Jahr. Bei einer Ständerätin sind es 142'500 Franken. Bei einem Teuerungsausgleich von 3,2 Prozent kämen nach Adam Riese beim Nationalrat nochmals 4240 Franken obendrauf. Die Ständerätin dürfte sich demnach über zusätzliche 4560 Franken freuen. Und das für einen Teilzeitjob.
Bei der Nationalratsspitze ist diese Idee offenbar gut angekommen. Am frühen Donnerstagmorgen hat sich auch das Büro des Nationalrats über den Antrag gebeugt – und ebenfalls deutlich einem Zustupf für das eigene Portemonnaie zugestimmt.
Für alle statt für wenige? Von wegen!
Nun soll eine entsprechende Vorlage ausgearbeitet werden, die in der Sommersession in den Ständerat und im Herbst in den Nationalrat kommt. Noch sei aber nicht definitiv festgelegt, wie hoch der Teuerungsausgleich tatsächlich sein soll, wie die Parlamentsdienste im Verlaufe des Donnerstags mitteilen.
«Zeigt Abgehobenheit und Arroganz in diesem hohen Haus»
Bei der SVP kommt das gar nicht gut an. «Da kann man nur den Kopf schütteln», findet der Solothurner Nationalrat Walter Wobmann (65) von Blick darauf angesprochen. «Dass man in der jetzigen Zeit überhaupt auf eine solche Idee kommt, ist völlig daneben.»
Ausgleich der Teuerung
Schliesslich wird gerade von Mitte-Links immer wieder darauf hingewiesen, dass die Kaufkraft in der Bevölkerung beispielsweise wegen der hohen Energiepreise und der weltweiten Inflation empfindlich abgenommen hat.
«Dass sich manche selber dann aber trotzdem mehr Lohn zuschustern wollen, zeigt die Abgehobenheit und Arroganz gewisser Leute in diesem hohen Haus», ärgert sich Wobmann. «Das ist leider nichts Neues.»
Widerstand gegen den Zustupf ist allerdings bereits absehbar. Die SVP werde den Teuerungsausgleich für Ratsmitglieder vehement bekämpfen, kündigt Fraktionschef Thomas Aeschi (44) auf Twitter an.
Bei einer jährlichen Entschädigung von durchschnittlich über 130'000 Franken für das Milizmandat «sind die Parlamentarier-Löhne schon heute viel zu hoch!», findet Aeschi.