Der Bundesrat will bei den AHV-Renten die Teuerung per 1. Juli 2023 voll ausgleichen. Dies hat er am Mittwoch klargemacht. Vergessen gingen bei der Landesregierung aber die Familien. Das Familienzulagengesetz sieht nämlich vor, dass der Bundesrat die Mindestsätze bei den Kinderzulagen auf den gleichen Zeitpunkt erhöhen muss. Dies, wenn der Landesindex der Konsumentenpreise seit der letzten Festsetzung der Ansätze um mindestens fünf Prozentpunkte gestiegen ist.
Und tatsächlich: Wie der Präsident des Gewerkschaftsdachverbandes Travailsuisse, Adrian Wüthrich (42), vorrechnet, ist die Teuerung seit Anfang 2009 um 4,8 Punkte gestiegen. Bis Ende Juni wird die Fünf-Punkte-Marke aller Voraussicht nach überschritten sein.
Amt muss sich beeilen
Winkt das Parlament die Pläne des Bundesrats für den vollen Teuerungsausgleich bei der AHV, der IV sowie bei den Ergänzungsleistungen wie vorgesehen durch, besteht die Verpflichtung, auch den gestiegenen Lebenshaltungskosten von Müttern und Vätern Rechnung zu tragen.
Adrian Wüthrich hat das Bundesamt für Sozialversicherungen bereits darauf aufmerksam gemacht. «Das BSV muss sich jetzt auch für die Familien beeilen und dem Bundesrat den Antrag stellen», so der frühere SP-Nationalrat. Das Amt unter der Leitung von Parteifreund Stéphane Rossini (59) im Innendepartement von SP-Bundesrat Alain Berset (50) macht sich nun aber an die Arbeit.
Mehrkosten für die AHV
Zurzeit betragen die Kinderzulagen mindestens 200 Franken im Monat. Ab 1. Juli müssten diese neu zehn Franken höher liegen, um die Teuerung auszugleichen. Sprich: Familien könnten sich über jährlich 120 Franken mehr pro Kind freuen.
Die vom Bundesrat vorgesehene zusätzliche Erhöhung der Renten führt in den Jahren 2023 und 2024 zu Mehrkosten für die AHV von insgesamt 418 Millionen Franken, wie der Bund vorrechnet. Travailsuisse schätzt, dass sich die Kosten des Teuerungsausgleichs bei den Kinderzulagen in der Grössenordnung von maximal 310 Millionen Franken pro Jahr bewegen. Die Kosten für die Familienausgleichskassen dürften tiefer sein, da es einige gibt, die mehr als die Mindestsätze zahlen.
Gesetzliche Pflicht
Doch wie lässt sich in Zeiten roter Zahlen beim Bund eine solche Mehrbelastung rechtfertigen? Wüthrich: «Mit dem Gesetz! Dieses sieht diese Erhöhung nun mal vor und die Familienausgleichskassen haben meist genügend Reserven.» Traivailsuisse begrüsst den Erhalt des AHV-Rentenniveaus explizit. Aber auch bei den Eltern soll der Geldentwertung jetzt Rechnung getragen werden. Gerade für Alleinerziehende sei es ohnehin schon oft schwierig, finanziell über die Runden zu kommen, sagt der Berner alt Nationalrat Wüthrich.
Das Parlament hatte den Bundesrat beauftragt, die AHV voll auszugleichen. Dies ist – gerade mit Blick aufs Wahljahr – eine Anpassung, die die Räte trotz angespannter Finanzlage gerne sprechen. Senioren gelten als fleissige Wähler.
Denkt das Parlament weniger an junge Mütter und Väter, da diese weniger treue Wähler sind? «So würde ich das nicht sagen. Man hat das schlichtweg übersehen», gibt sich Wüthrich zuversichtlich, dass es ab Juli tatsächlich monatlich zehn Franken mehr Kinderzulage gibt.