Herr Levrat, Bund und Kantone haben die Eckwerte der USR IV präsentiert. Zu wie viel Prozent sind Sie zufrieden?
Christian Levrat: Ich bin gar nicht zufrieden. Die Richtung stimmt zwar, denn die Verlierer vom 12. Februar haben eingesehen, dass es gegen die SP nicht geht. Inhaltlich aber sind die Vorschläge völlig ungenügend. Damit kann man die Bevölkerung, die zu 60 Prozent Nein zur USR III gesagt hat, sicher nicht überzeugen.
Also bitte, das Paket ist deutlich ausgewogener: Die zinsbereinigte Gewinnsteuer ist weg, die Unternehmen werden weniger stark entlastet, und mit der Erhöhung der Kinderzulage bekommt auch die Bevölkerung etwas. Warum reicht Ihnen das nicht?
Die Steuerungsgruppe schlägt die richtigen Instrumente vor: Die Erhöhung der Dividendenbesteuerung ist überfällig, die vorgeschlagenen 70 Prozent sind aber nicht genug. Warum sollen Dividenden so viel tiefer besteuert werden als Löhne?
Was wäre eine angemessene Besteuerung?
Alles unter 80 Prozent ist eine krasse Ungleichbehandlung der Lohnempfänger gegenüber den Aktionären. Das weiss auch Finanzminister Ueli Maurer. Doch leider ist auch er noch nicht bereit, über seinen Schatten zu springen. Oder nehmen wir die Erhöhung der Kinderzulagen: Diese soziale Kompensation ist richtig. Nur reichen 30 Franken einfach nicht. 100 Franken würden den Familien wirklich etwas bringen.
Davon haben aber nur Familien etwas. Alle anderen gehen leer aus. Das ist nicht gerecht.
Die Kinderzulagen haben den grossen Vorteil, dass sie direkt von den Unternehmen bezahlt werden. Jene, die von der Reform profitieren, bezahlen also die soziale Kompensation. Und sie sind sinnvoll. Junge Familien sind am stärksten von Armut betroffen, das geht uns alle an. Bei anderen Massnahmen gäbe es immer das Risiko, dass am Schluss doch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bezahlen würden.
Nun sollen alle Arbeitgeber die Kinderzulagen bezahlen – auch jene, die nicht von der Reform profitieren. Vor allem das Gewerbe wird stärker belastet.
Das Gewerbe profitiert aber auch stark davon, wenn Familien öfter ins Restaurant gehen oder zwischendurch ein paar Anschaffungen für ihren Haushalt machen können, weil sie dank der höheren Kinderzulagen mehr Geld zur Verfügung haben.
Was braucht es noch, damit sich die SP hinter die Vorlage stellt?
Was komplett fehlt, ist die Korrektur der Fehler der USR II, die uns der damalige Bundesrat Hans-Rudolf Merz eingebrockt hat. Diese Altlasten kosten uns bis heute Milliarden. Ausserdem muss der Bundesrat bei der Gegenfinanzierung und der sozialen Kompensation noch nachbessern. Das Geld dazu ist vorhanden, schliesslich profitieren die Unternehmen mit Milliarden von dieser Reform.
Wenn Ihre Forderungen nicht erfüllt werden: Wagt die SP erneut das Referendum?
Dafür ist es zu früh. Aber ich zweifle keine Sekunde, dass wir die Kraft dazu aufbringen würden.
Nur: Kann die SP ein erneutes Scheitern der USR IV verantworten?
Keine Sorge, wir nehmen unsere Verantwortung wahr. Unser Ziel ist eine Vorlage, hinter der die SP stehen kann. Und ich spüre bei den Abstimmungsverlierern zumindest den Willen, nicht mehr die gleichen Fehler zu begehen, sondern eine mehrheitsfähige Reform zu beschliessen. Wenn bei der Dividendenbesteuerung, den Kinderzulagen und der Korrektur der USR II noch nachgebessert wird, kann das gelingen.