Freisinnige schauen auf enttäuschende Wahlen zurück
Die FDP muss sich aufrappeln

Die Partei von FDP-Chef Thierry Burkart hat bei den Parlamentswahlen verloren. Jetzt beginnt die Fehlersuche. Beispielsweise haben sich die freisinnigen Ständeratskandidaten zugunsten der SVP für den zweiten Wahlgang zurückgezogen. Das führt nun zu Kritik.
Publiziert: 21.11.2023 um 00:20 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2023 um 09:28 Uhr
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Thierry Burkarts FDP steht nach den Wahlen nicht gut da.
Foto: AFP

Die FDP liegt beim Wähleranteil vor der Mitte-Partei. Und die FDP wird wohl auch Ende Jahr noch zwei Bundesräte haben. So viel zu den guten Nachrichten für die Freisinnigen. Die schlechten sind zahlreicher: Die FDP hat mit 39 Mandaten klar weniger National- und Ständeräte als die Mitte mit 44.

Und: Der Rückzug verschiedener FDP-Kandidaten für die zweiten Ständeratswahlgänge führte nicht zum erhofften Erfolg der Bürgerlichen. In Zürich zog sich Nationalrätin Regine Sauter (57) für SVP-Ratskollege Gregor Rutz (51) zurück, der scheiterte. In Solothurn gab Regierungsrat Remo Ankli (50) SVP-Nationalrat Christian Imark (41) den Vorzug, der ebenfalls unterlag. Im Tessin trat man an, aber unterlag.

Für Minder reicht es doch nicht

Ausserdem zog sich in Schaffhausen die freisinnige Kandidatin Nina Schärrer (36) nach dem ersten Wahlgang zurück, obwohl sie eigentlich hatte antreten wollen. Doch sie stiess in den eigenen Reihen auf heftigen Gegenwind.

Dann halt nicht, sagte sich Schärrer – mit dem Resultat, dass nicht der Parteilose, aber in der SVP-Fraktion politisierende Thomas Minder (62), wiedergewählt wurde, sondern als grosse Überraschung SP-Kandidat Simon Stocker (42) in den Ständerat einzieht. Und obwohl sie nicht mehr antrat, holte Schärrer selbst noch über tausend Stimmen. «Viele Schaffhauserinnen und Schaffhauser haben sich eine gemässigte Position zwischen den beiden Extremen Minder und Stocker gewünscht», erklärt das die FDP-Politikerin. Dem bürgerlichen Lager habe der Mut gefehlt, auf sie als neue Kandidatin zu setzen.

«Die FDP braucht mehr Rückgrat und wir müssen stärker zu unseren Positionen stehen», sagt Schärrer. «Wenn wir uns immer nur als Juniorpartner der SVP positionieren, verlieren wir unser liberales Profil.»

«Toxische Koalition»

Und wie dankt die SVP der FDP für ihre Unterstützung? Sie kritisiert die Freisinnigen, sie hätten sich als unzuverlässiger Partner in der bürgerlichen Allianz erwiesen. Und innerhalb der FDP selbst, stösst es nun auch auf starke Kritik, dass sich die liberale Partei der konservativen SVP an den Hals geworfen und damit potenzielle Wählerinnen und Wähler vergrault habe und in die Arme von Mitte und GLP trieb. Zudem unterstellt die politische Organisation Operation Libero der FDP auf X, sie sei in einer «toxischen Koalition mit der SVP gefangen».

Kommt hinzu, dass unter der Bundeshauskuppel mit dem Finger auf FDPler wie den Zürcher Beat Walti (54) gezeigt wird. Bekannte Parteimitglieder – Walti war immerhin einst Fraktionschef – hätten bei den Nationalratswahlen ein derart bescheidenes Ergebnis eingefahren, dass diese sich wohl mit dem Gedanken herumschlagen müssten, ob es nicht gescheiter wäre, noch während der neuen Legislatur zurückzutreten, um nicht in vier Jahren eine Abwahl zu riskieren.

«Nur wer antritt, kann gewinnen!»

Blick: Herr Burkart, für die FDP liefen die Wahlen nicht gut. Vor allem wegen der Ständeratswahlen gibt es Kritik.

Thierry Burkart: Unser Abschneiden bei den Ständeratswahlen war nicht dramatisch, aber natürlich enttäuschend. Das ist so. Vor allem die Abwahl von Philippe Bauer kam überraschend, was mir für ihn und uns sehr leidtut.

Sie haben sich da und dort zugunsten der SVP in den zweiten Wahlgängen für den Ständerat zurückgezogen. Als Dankeschön wirft Ihnen die SVP nun vor, sie im Stich gelassen zu haben.

Nur wer antritt, kann eine Wahl gewinnen! Wir haben uns da und dort wohl zu früh zugunsten der SVP zurückgezogen. Hätten wir noch am Abend des ersten Wahlgangs im einen oder anderen Kanton selbstbewusst angekündigt, dass wir selbstverständlich auch in den zweiten Wahlgang gehen, wäre es vielleicht anders gekommen. Ich respektiere die Entscheidungen der jeweiligen Kantonalparteien, dennoch ist es eines der Learnings: Man sollte zweimal überlegen, ob wir nicht doch antreten sollten. Für kommende Wahlen bestärkt uns die SVP nun grad darin, selbst anzutreten.

Aber auch aus den eigenen Reihen kommt Kritik, die FDP habe sich zu sehr der SVP an den Hals geworfen. Trifft das zu?

Ich glaube nicht, dass wir zu sehr auf SVP-Linie politisiert haben. 2023 hatten Themen Konjunktur, bei denen wir ähnliche Ansichten haben wie die SVP, bei Europa werden unsere Unterschiede 2024 beispielsweise aber wieder augenfälliger sein.

Welche Lehren ziehen Sie noch aus dem Abschneiden der FDP?

Ich werde in den ersten Tagen der Wintersession einen Vorstoss zur Abschaffung der Listenverbindungen einreichen. Ohne Listenverbindungen erhält der Wählerwille mehr Gewicht. Es kann ja nicht sein, dass jemand GLP wählt, aber damit einem SP-Kandidaten zum Einzug ins Parlament verhilft.

Hat der Vorstoss Chancen?

Es ist schwierig zu beurteilen, ob mein Anliegen mehrheitsfähig ist, aber nur weil der Erfolg unsicher scheint, ist das kein Grund, einen Missstand nicht anzugehen.

Und inhaltlich? Lief da alles optimal bei der FDP?

Natürlich analysieren wir, welche inhaltlichen Fehler wir gemacht haben könnten. Dazu hat die FDP eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Ohne dieser Gruppe vorgreifen zu wollen: Ich denke, viele andere Parteien zeigen klarer auf als wir, welchen Nutzen die Wählerinnen und Wähler haben, wenn sie diese Partei wählen. Nein, alle Parteien zeigen das besser auf als wir.

Gibt es noch was, wo die Konkurrenz die Nase vorn hat?

Was die anderen Parteien wohl ebenfalls besser machen: Die Leute ziehen sich frühzeitig zurück, nicht erst zum Ende der Legislatur. Das ist aus meiner Sicht zwar nicht ideal, denn die Parlamentsmitglieder sind für vier Jahre gewählt. Aber wenn andere Parteien nach diesen Spielregeln spielen, müssen auch wir das tun, wenn wir Wahlen gewinnen wollen.

DUKAS

Blick: Herr Burkart, für die FDP liefen die Wahlen nicht gut. Vor allem wegen der Ständeratswahlen gibt es Kritik.

Thierry Burkart: Unser Abschneiden bei den Ständeratswahlen war nicht dramatisch, aber natürlich enttäuschend. Das ist so. Vor allem die Abwahl von Philippe Bauer kam überraschend, was mir für ihn und uns sehr leidtut.

Sie haben sich da und dort zugunsten der SVP in den zweiten Wahlgängen für den Ständerat zurückgezogen. Als Dankeschön wirft Ihnen die SVP nun vor, sie im Stich gelassen zu haben.

Nur wer antritt, kann eine Wahl gewinnen! Wir haben uns da und dort wohl zu früh zugunsten der SVP zurückgezogen. Hätten wir noch am Abend des ersten Wahlgangs im einen oder anderen Kanton selbstbewusst angekündigt, dass wir selbstverständlich auch in den zweiten Wahlgang gehen, wäre es vielleicht anders gekommen. Ich respektiere die Entscheidungen der jeweiligen Kantonalparteien, dennoch ist es eines der Learnings: Man sollte zweimal überlegen, ob wir nicht doch antreten sollten. Für kommende Wahlen bestärkt uns die SVP nun grad darin, selbst anzutreten.

Aber auch aus den eigenen Reihen kommt Kritik, die FDP habe sich zu sehr der SVP an den Hals geworfen. Trifft das zu?

Ich glaube nicht, dass wir zu sehr auf SVP-Linie politisiert haben. 2023 hatten Themen Konjunktur, bei denen wir ähnliche Ansichten haben wie die SVP, bei Europa werden unsere Unterschiede 2024 beispielsweise aber wieder augenfälliger sein.

Welche Lehren ziehen Sie noch aus dem Abschneiden der FDP?

Ich werde in den ersten Tagen der Wintersession einen Vorstoss zur Abschaffung der Listenverbindungen einreichen. Ohne Listenverbindungen erhält der Wählerwille mehr Gewicht. Es kann ja nicht sein, dass jemand GLP wählt, aber damit einem SP-Kandidaten zum Einzug ins Parlament verhilft.

Hat der Vorstoss Chancen?

Es ist schwierig zu beurteilen, ob mein Anliegen mehrheitsfähig ist, aber nur weil der Erfolg unsicher scheint, ist das kein Grund, einen Missstand nicht anzugehen.

Und inhaltlich? Lief da alles optimal bei der FDP?

Natürlich analysieren wir, welche inhaltlichen Fehler wir gemacht haben könnten. Dazu hat die FDP eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Ohne dieser Gruppe vorgreifen zu wollen: Ich denke, viele andere Parteien zeigen klarer auf als wir, welchen Nutzen die Wählerinnen und Wähler haben, wenn sie diese Partei wählen. Nein, alle Parteien zeigen das besser auf als wir.

Gibt es noch was, wo die Konkurrenz die Nase vorn hat?

Was die anderen Parteien wohl ebenfalls besser machen: Die Leute ziehen sich frühzeitig zurück, nicht erst zum Ende der Legislatur. Das ist aus meiner Sicht zwar nicht ideal, denn die Parlamentsmitglieder sind für vier Jahre gewählt. Aber wenn andere Parteien nach diesen Spielregeln spielen, müssen auch wir das tun, wenn wir Wahlen gewinnen wollen.


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