Schweizer Politiker zu Giorgia Melonis Albanien-Deal
FDPler findet Abschreckung erfolgversprechend

Asylsuchende überqueren das Mittelmeer, um in den Schengenraum zu gelangen. Doch sie dürften bald unfreiwillig in Albanien landen. Denn dort hin will sie Italien fürs Verfahren bringen. Schweizer Politikerinnen und Politiker bewerten den Albanien-Deal unterschiedlich.
Publiziert: 08.11.2023 um 18:53 Uhr
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Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat mit Albanien einen Deal abgeschlossen, damit Asylsuchende bis zum Asylentscheid ennet der Adria unterkommen sollen.
Foto: Corbis via Getty Images

Italien will bis zu 39'000 Migranten nach Albanien überführen. Und das, bevor sie überhaupt italienischen Boden berührt haben. Konkret sollen Flüchtlinge, die von der Küstenwache im Mittelmeer gerettet wurden, an einen albanischen Hafen gebracht werden. Dort könnten sie Asyl beantragen und bei einem positiven Entscheid nach Italien weiterreisen. 

Vorerst handelt es sich um eine Vereinbarung. Wie das Vorhaben konkret umgesetzt wird, ist offen. Auch die benötigten Asylzentren müssen in Albanien noch errichtet werden. Aber bereits sprach Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (46) von einem «historischen Pakt». Doch vermag er wirklich die europäische Migrationsproblematik zu entschärfen?

«Ich verstehe das Ziel Italiens nicht», sagt Mitte-Nationalrätin Marianne Binder-Keller (65). Zwar mache der Deal auf die Probleme aufmerksam, mit denen Italien zu kämpfen habe. Doch letztlich blieben die Flüchtlinge immer noch unter italienischer Verantwortung, einfach in einem anderen Land. 

FDP will funktionierende Rückführung

Genau das findet Damian Müller (39) aber erfolgversprechend. Nach Ansicht des FDP-Ständerats wollen die Migranten nicht nach Albanien, sondern nach Europa. «Demzufolge könnte das Abkommen die Migration von Nordafrika nach Italien bremsen», sagt er. 

Da nur im Mittelmeer gerettete Migranten nach Albanien überführt werden sollen und die Schweiz keinen Meeranstoss hat, ist es schwierig, das Abkommen auf die Schweiz zu adaptieren. So erwartet Müller stattdessen von Asylministerin Elisabeth Baume-Schneider (59) in anderen Bereichen mehr Mut. «Ein funktionierendes Rückführungssystem hält Wirtschaftsmigration davon ab, in der Schweiz Asyl zu beantragen», sagt er. 

Allerdings gestaltet sich eine Rückführung oft schwierig. Gewisse Staaten weigern sich, zwangsrückgeführte Staatsbürger wieder aufzunehmen. Folglich bleiben viele in der Schweiz, selbst bei einem negativen Asylentscheid. Um das zu ändern, hat Müller Anfang 2023 einen Vorstoss eingereicht. Er verlangt ein Pilotprojekt, das es ermöglicht, Abgewiesene in einen Drittstaat zu überführen. «In diesem Rahmen sollte auch Albanien in Betracht gezogen werden», findet der FDP-Ständerat.

Schweiz unattraktiv machen

Die Schaffung von Asylzentren in Drittstaaten – beispielsweise in Ruanda – stellt die SVP bereits seit längerem zur Diskussion. Hier würden sich allerdings mehr Fragen stellen: Etwa, wer für die Betreuung verantwortlich ist oder welches Recht innerhalb des Zentrums gelten würde. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (44) verhehlt nicht, dass es seiner Partei dabei um Abschreckung geht. «Wir müssen die Schweiz als Asylland unattraktiver machen.» 

Den italienischen Asyldeal hält Aeschi für begrüssenswert: «Die Asylgesuche werden damit ausserhalb des Schengen-Raums behandelt, und das ist positiv.» So könnten abgelehnte Asylsuchende nicht einfach innerhalb des Schengenraums weiterziehen. 

«Das verletzt Grundrechte»

Hingegen bezeichnet die SP Italiens Pläne als «populistische Scheinlösung» und «Symbolpolitik». Meloni mache das nur, weil sie im Wahlkampf eine extrem harte Migrationspolitik versprochen habe. «Doch Asylprozesse an die Aussengrenze auszulagern, funktioniert nicht», betont Céline Widmer (45). Das habe sich bereits im Fall von England gezeigt, das Flüchtlinge nach Ruanda ausschaffen wollte – bisher aber ohne Erfolg. 

Zudem widerspreche dieses Vorhaben den Grundzügen der Flüchtlingskonvention. Denn die Flüchtlinge wären in den Auffangzentren vermutlich nicht geschützt. «Es gäbe überfüllte Lager, in denen die Menschen unter prekären Bedingungen leben», so Widmer. Und: «Das ist unmenschlich, verletzt Grundrechte und widerspricht einer humanitären Tradition.»

Um das Migrationsproblem zu lösen, bräuchte es sichere Fluchtrouten – und keine Abschreckungsübung, sagt die SP-Nationalrätin. (rba) 

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