Es ist ein simpler Stempel, doch für Einkaufstouristen in Konstanz (D) ist er bares Geld wert. Wer heute in Deutschland einkauft, kann die dortige Mehrwertsteuer ab der sogenannten Bagatellgrenze von 50 Euro zurückfordern. In der Schweiz müssen auf die Einkäufe erst ab einem Gesamtwert von 300 Franken die Mehrwertsteuer bezahlt werden.
Im November des vergangenen Jahres hatte Finanzministerin Karin Keller-Sutter (60) angekündigt, die Freigrenze zu halbieren, also auf 150 Franken zu senken. Das Parlament hatte ihr hierfür den Auftrag gegeben.
Detailhändler wollen noch weiter runter
In der Vernehmlassung – in der Parteien und Verbände ihre Meinung zum Vorschlag sagen können – zeigt sich nun Widerstand. Detailhändlern und Bauernverband ist die Halbierung nicht genug. Sie wollen, dass die Freigrenze noch weiter gesenkt wird, auf 50 Franken pro Person und Tag. Schon ab diesem Betrag soll also die Mehrwertsteuer fällig werden. «Der Gesetzgeber setzt heute falsche Anreize und begünstigt den Einkaufstourismus noch», kritisiert Dagmar Jenni, Direktorin des Verbands der Detailhandelsunternehmen, gegenüber den Zeitungen von CH Media.
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Und der Bauernverband unter Präsident Markus Ritter (56) schreibt, die Grenze von 150 Franken sei noch zu hoch und hätte nur minimale Auswirkungen: Wenn vier Personen nach Frankreich fahren und dort für 500 Franken einkaufen, bekämen sie die ausländische Mehrwertsteuer trotzdem zurück, weil «für ein Fahrzeug mit vier Personen die Wertfreigrenze viermal 150, also total 600 Franken, betragen würde».
Die Kantone St. Gallen und Thurgau hätten in Form von zwei Standesinitiativen gefordert, dass alle Importe der Schweizer Mehrwertsteuer unterliegen, wenn die ausländische Mehrwertsteuer zurückerstattet wird, schreiben die Bauern und verweisen aufs Ausland: «In Deutschland wird die Mehrwertsteuer ab 50 Euro, in Österreich ab 75 und in Frankreich ab 100 Euro erstattet.» Sie fordern deshalb, dass sich die Schweiz der niedrigsten Freigrenze – also Deutschland – angleicht.
Preisüberwachung gegen Senkung
Kritik an Keller-Sutters Vorschlag kommt auch vom Preisüberwacher Stefan Meierhans (55) – wenn auch aus der anderen Richtung. Er hält die Senkung auf 150 Franken für falsch. Sie würde den Einkaufstourismus kaum wesentlich beeinflussen – die Mehrwertsteuer könne die riesigen Preisunterschiede nicht kompensieren, sagt eine Sprecherin.
Einkaufstouristen können bei einer Shoppingtour in Konstanz oder Weil am Rhein (D) viel sparen. Doch das Geld fehlt den Schweizer Detailhändlern. Laut einer Studie kauften Schweizerinnen und Schweizer im Jahr 2022 für ganze 8,5 Milliarden Franken im Ausland ein. Ob und um wie viel die Freigrenze für die Mehrwertsteuer gesenkt wird, entscheidet der Bundesrat um Finanzministerin Keller-Sutter nach Ende der Vernehmlassung Mitte März. (bro)