Der SP droht am nächsten Abstimmungssonntag eine Niederlage. Laut der ersten SRG-Trendumfrage befürworten knapp zwei Drittel der Stimmbevölkerung, dass das Rentenalter für Frauen auf 65 angehoben wird. Auch dem zweiten Teil der Reform, die Mehrwertsteuer-Erhöhung, wollen zwei von drei Schweizern zustimmen.
Selbst unter den Linken ist der Widerstand gegen das höhere Rentenalter bescheiden. Unter den SP-Anhängerinnen und -Anhängern gibt nur eine hauchdünne Mehrheit von 51 Prozent an, gegen das höhere Rentenalter ein Nein in die Urne werfen zu wollen. 45 Prozent wollen Ja stimmen. Erschreckende Werte für die SP, die mit den Gewerkschaften zuvorderst gegen die AHV-Reform kämpft. Eine Reform, bei der es sich aus ihrer Sicht um einen inakzeptablen Rentenabbau «auf dem Buckel der Frauen» handelt.
Kämpfen Linke gegen sich selbst?
Im Nationalrat hat die SP geschlossen Nein gestimmt, ebenso wie die Grünen. Doch bei Letzteren ist der Graben zwischen Bundesbern und der Basis sogar noch grösser als bei der SP: 51 Prozent der Grünen-Sympathisantinnen und -Sympathisanten sprechen sich für das höhere Frauen-Rentenalter aus.
Kämpfen die Linken also gegen eine Reform, gegen die ihre Wählerschaft gar nichts hat? Sicher nicht, glaubt SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (34). Statt an ihren Wählerinnen zweifelt die Zürcher Nationalrätin eher an den Zahlen. «Umfragen sind mit Vorsicht zu geniessen», sagt sie. Meyer verweist auf eine kürzlich veröffentlichte Umfrage von Tamedia, bei der fast zwei Drittel der befragten Frauen angaben, die Rentenalter-Erhöhung abzulehnen – also auch viele bürgerliche Frauen. Auch die SRG-Umfrage zeigt einen grossen Geschlechtergraben von über 20 Prozentpunkten. Allerdings befürworten 51 Prozent der dort befragten Frauen Rentenalter 65 für Frau und Mann.
SP und Grüne wollen besser erklären
Meyer sagt aber auch, dass sie noch besser erklären müssen, was ein Ja bedeuten würde: «Nicht nur Frauen, auch Ehepaare würden verlieren und Renteneinbussen haben», sagt sie. «Und mit der Mehrwertsteuer-Erhöhung zahlen alle mehr für schlechtere Leistungen.»
Mehr zur AHV-Abstimmung
Auch die Grünen wollen nun einen Gang höher schalten. Für viele Grünen stünde am 25. September die Massentierhaltungs-Initiative im Fokus, erklärt sich die Waadtländer Nationalrätin Léonore Porchet (33) das Umfrageergebnis. Um die Basis gegen die AHV-Reform zu mobilisieren, werde man in den nächsten Wochen versuchen, spezifisch grüne Argumente in den Vordergrund zu rücken. «Die Erhöhung des Frauen-Rentenalters bedeutet faktisch eine Arbeitszeiterhöhung. Dabei wäre das Gegenteil ökologisch sinnvoll», sagt Porchet.
Kritik an der Erhebung
Derweil hat das Nein-Komitee der AHV-Reform Kritik an der Erhebungsmethode der SRG-Umfrage geäussert. Es warf dem Forschungsinstitut GFS Bern vor, das die Umfrage im Auftrag der SRG durchgeführt hat, das Hauptargument der Gegner unterschlagen zu haben. GFS Bern wies diesen Vorwurf aber von sich. Die linken Argumente wurden aus Sicht des Forschungsinstituts in der Umfrage richtig abgebildet. Zudem frage man immer zuerst nach den Stimmabsichten, bevor man auf Argumente eingehe, sagte Politologe Lukas Golder. Damit beeinflusse die Auswahl der entscheidenden Argumente das Resultat der Umfrage nicht.