Frank A. Meyer – die Kolumne
Echt jetzt

Publiziert: 03.07.2022 um 00:39 Uhr
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Aktualisiert: 09.06.2023 um 11:38 Uhr
Foto: Antje Berghaeuser
Frank A. Meyer

Das Leben ist «easy» und «alles gut»: So bringen die gerade angesagten Jugendfloskeln die Leichtigkeit des Seins zum Ausdruck. In dieser wunderschönen neuen Welt trägt man Jeanshosen, die teuer mit ausgefransten Löchern versehen sind. Zumindest ästhetisch möchte die verwöhnteste Generation der Geschichte ein bisschen Armut nicht missen.

Zu viel Perfektion ödet an. Darum auch das grosse Gedöns um Geschlecht und Gender und Trans und Divers. Konflikte müssen sein in dieser Gesellschaft der totalen Unterhaltung, sonst langweilt sich der Nachwuchs, insbesondere dessen universitäre Elite. Darum feministische Sternchen und Doppelpunkte und die neukorrekte Sprache als Schlachtfeld.

Gab es je eine infantilere Jugend – gehätschelt von einer Elterngeneration, die ihrerseits schon mit dem Gefühl der Sättigung herangewachsen ist?

«Easy» und «alles gut»: Formeln für eine Ära – die eben zu Ende geht. Denn die Quote für Diverse ist nicht länger der entscheidende Kampf in allerfriedlichster Zeit.

Es wütet Krieg. Echter Krieg. Mit Zerstörung und Tod. Überhaupt nicht unterhaltsam, überhaupt nicht easy, überhaupt nicht gut: Die zerfetzten Hosen der Opfer in den Strassen ukrainischer Städte sind real. Also überhaupt nicht modisch.

Wo befanden wir uns gerade eben noch? In einer Welt, die «woke» Wohlerzogenheit zum wichtigsten Wert ihrer Wirklichkeit dekretierte – also die schiere Unwirklichkeit! Und wo befinden wir uns jetzt? In der wirklichen Wirklichkeit, die bewaffnete Wehrhaftigkeit als Tugend der Stunde wiederentdeckt.

Nicht mehr das «Canceln» von unkorrekt Denkenden ist angesagt, sondern der Kampf für freies Denken – für die freie westliche Welt!

Ja, es gibt ihn, den Westen: die Freiheit, dafür oder dagegen zu sein, ohne verhaftet und drangsaliert zu werden. Im Westen wütet die Kritik am Westen. Geschützt durch Verfassungen und Grundgesetze. Alles unter dem Schirm der Atommacht USA, die sich ohne Zögern hinter die überfallene Ukraine gestellt hat, angeführt vom Transatlantiker Joe Biden, einem in der Tat «alten weissen Mann», der die Freiheitsnation anführt, die in den Augen einer grün-linken europäischen Kulturklasse alles Böse dieser Welt zu verantworten hat: vom modernen Kolonialismus bis zur humanitären Hungerkatastrophe.

Die Nato rüstet auf, unter amerikanischer Führung, rückt in Bereitschaft an der Grenze zum Reich des kriminellen Neo-Zaren mit KGB-Ausbildung. Auch die Europäische Union ist erwacht aus ihrer somnambulen Friedfertigkeit, mit der sie den Kontinent der Demokratie in die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen und chinesischen Absatzmärkten gesteuert hat.

Zeit für hellwache Bürgerinnen und Bürger. Keine Zeit für Kinderspiele.

Dazu passt die Jugendfloskel des Erstaunens: «Echt jetzt?»

Echt jetzt.

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