Die CS taumelt. Nicht erst jetzt, aber am Mittwoch fiel der Aktienkurs der Schweizer Grossbank derart ins Bodenlose, dass eine Rettungsspritze der Schweizerischen Nationalbank nötig würde – wenn auch nur durch einen Kredit.
Vorerst scheint das geholfen zu haben, der Aktienkurs stabilisierte sich am Donnerstag wieder. Doch aus dem Schneider ist die Credit Suisse nicht. Schon gibt es erste Fragezeichen, ob ein staatlicher Rettungsplan für die CS nötig wird. Denn die Pleite einer Grossbank wie der CS kann eine Finanzkrise auslösen und die Schweizer Volkswirtschaft mit sich ziehen.
2008 konnte das abgewendet werden – damals retteten die Schweizer Steuerzahler die UBS mit einer Milliardenspritze. Damit sich das nicht wiederholt, wurde die «Too big to fail»-Regulierung eingeführt (engl. für «zu gross, um zu scheitern»). Blick erklärt, was es mit dieser auf sich hat.
Warum braucht es «Too big to fail»?
Banken und Versicherungen können so gross sein, dass eine Krise die Finanzstabilität beeinträchtigen und die Volkswirtschaft insgesamt schädigen kann. Man spricht in diesem Fall von «systemrelevanten» Banken. Mit den Too-big-to-fail-Massnahmen sollen die Risiken, dass sie konkurs gehen, minimiert werden.
Welche Banken sind in der Schweiz systemrelevant?
Die Nationalbank legt fest, welche Banken systemrelevant sind. Dies ist der Fall, weil die Banken eine bestimmte Grösse haben, besonders stark mit dem Finanzsystem und der Volkswirtschaft vernetzt sind und weil sie Funktionen haben, die so wichtig sind, dass sie nicht ausfallen dürfen. Dazu gehören beispielsweise der Zahlungsverkehr und das inländische Einlagen- und Kreditgeschäft. Als systemrelevant gelten in der Schweiz die beiden Grossbanken UBS und CS, die Postfinance, die Raiffeisenbank und die Zürcher Kantonalbank.
Was ist anders für systemrelevante Banken?
Diese fünf Banken müssen über mehr Eigenkapital- und Liquiditätsreserven verfügen als andere Banken und ausserdem Krisen- und Notfallpläne haben. Diese Pläne müssen von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) abgesegnet werden. Für UBS und CS sind die Anforderungen nochmals deutlich strenger, weil diese international tätig sind. Die Finma selbst erstellt für diese Banken ausserdem einen Plan für deren Sanierung oder Liquidation.
Welche Sicherheiten müssen systemrelevante Banken haben?
Systemrelevante Banken müssen über mehr regulatorisches Kapital als übrige Banken verfügen. Es gibt zwei Arten:
A) Mit dem sogenannten Going-Concern-Kapital sollen Banken unerwartete Verluste aus der laufenden Geschäftstätigkeit abfedern. Die Höhe dieses Eigenkapitals berechnet sich anhand von sogenannten risikogewichteten Aktiven (RWA). Darunter versteht man die Struktur der Aktiven und deren Risikogehalt. Hinzu kommt die sogenannte Leverage Ratio, die ungewichtete Eigenkapitalquote, die als Prozentzahl des Gesamtengagements berechnet wird. Sie gilt als zusätzliches Sicherheitsnetz.
Die Banken müssen das Eigenkapital nicht bar im Tresor liegen haben. Pflicht sind zehn Prozent hartes Kernkapital, also das Gesellschaftskapital und Rücklagen. Zusätzlich kann ein Teil, höchstens jedoch 4,3 Prozent, in festverzinslichen Wertpapieren vorliegen, die im Bedarfsfall zu Eigenkapital umgewandelt werden.
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B) Zusätzlich müssen diese Banken Mittel für den Fall zurückhalten, sollte die Insolvenz drohen. Das nennt man Gone-Concern-Kapital. Für die beiden Grossbanken gilt: Das Gone-Concern-Kapital muss genauso gross sein wie das Going-Concern-Kapital, die Finma kann jedoch Rabatte gewähren. Gemäss Informationen der CS betrug ihr gesamtes Pflichtkapital im vergangenen Dezember 97,4 Milliarden Franken, davon waren 50,1 Milliarden Franken Going-concern-Kapital.
Das Gone-Concern-Kapital liegt normalerweise in sogenannten Bail-in-Bonds vor. Das sind Anleiheobligationen, die bei drohender Insolvenz in Eigenkapital umgewandelt werden.
Systemrelevante Banken müssen nicht nur viel Eigenkapital haben, sondern auch in der Lage sein, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Sie müssen also erhöhte Liquiditätsanforderungen erfüllen. Die CS schaffte das nicht – sie musste von der SNB 50 Milliarden Franken Kredit aufnehmen, um ihre Liquidität sicherzustellen.
Welche Notfallpläne gibt es?
Grossbanken wie die CS müssen Notfallpläne für Krisen haben. Davon gibt es drei Arten:
- Recovery-Plan: Die Bank zeigt darin auf, wie sie sich in einem Krisenfall selbst zu stabilisieren gedenkt. Die Finma muss diesen Plan genehmigen. In solchen Plänen sind etwa der Verzicht auf Boni und Dividenden vorgesehen. Reicht das nicht, kommen Teilverkäufe von Geschäftsbereichen, die Wandlung von Obligationen in Eigenkapital und weitere Massnahmen infrage.
- Schweizer Notfallplan: Die Bank zeigt auf, wie sie die für die Schweizer Wirtschaft systemrelevanten Funktionen – vor allem den Zugang zu Einlagen und zum Zahlungsverkehr – in einer Krise unterbruchsfrei weiterführen kann. Die Finma prüft diese Pläne und beurteilt deren Umsetzbarkeit.
- Resolution-Plan: Die Finma erstellt einen «Resolution-Plan». Dieser zeigt auf, wie sie die Bank – im Fall von UBS und CS die gesamte Bankengruppe – im Krisenfall rekapitalisieren, sanieren oder liquidieren würde.
Zentral beim «Resolution-Plan» ist das sogenannte Bail-in. Damit soll die Bank so weit rekapitalisiert werden, dass sie die Eigenmittelvoraussetzungen wieder erfüllt. Ein Bail-in läuft so ab: Zuerst wird das gesamte Aktienkapital der Bank vollständig abgeschrieben werden. Das heisst: Die bisherigen Aktionäre verlieren ihren Anteil an der Bank. Danach werden die Bail-in-Bonds (siehe oben) in Eigenkapital der Bank gewandelt und damit neue Aktien geschaffen. Der Gläubiger – der so einen Bond erworben hat – verliert durch den Bail-in seine Forderung auf Rückzahlung des vereinbarten Nominalwerts am Ende der Laufzeit des Instruments. Im Gegenzug erhält er einen entsprechenden Anteil an den neu geschaffenen Aktien und wird damit Eigentümer der sanierten Bank. Wichtig für Kontoinhaber: Durch die Einlagensicherung sind Guthaben bis 100'000 Franken geschützt.
Nach der Durchführung des Bail-in wird die Bank – unter Kontrolle der Finma – saniert. Dazu kann es auch gehören, dass bestimmte Geschäftsbereiche verkauft oder aber liquidiert werden.
Ob einer dieser Pläne nun in Kraft gesetzt wird – und ob es funktioniert, muss sich zeigen. Der Fall CS wäre der erste Praxistest für «Too big to fail» in der Schweiz.