Jetzt reagieren die Schweizer Sicherheitsbehörden. Das Bundesamt für Polizei, kurz Fedpol, informiert sich in Washington darüber, was in der US-Hauptstadt gestern schief gelaufen ist: Wieso konnten Trump-Anhänger das Capitol stürmen? «Wir stehen mit dem amerikanischen Sicherheitsdienst in Kontakt», bestätigt Fedpol-Sprecherin Catherine Maret.
Das Fedpol unter der Leitung von Nicoletta della Valle (58), das auch das Bundeshaus bewacht, will wissen, welche Fehler in der Schweiz vermieden werden müssen, damit sich nicht auch in der Schweiz Chaoten Zugang zum Parlament verschaffen können.
Denn: «Auch in der Schweiz gibt es schwierige Randgruppen, die zu Gewalt fähig sind», gibt die Politikwissenschaftlerin der Universität St. Gallen, Claudia Brühwiler, auf Blick TV zu bedenken. Die USA-Kennerin verweist auf das Attentat, das sich im Herbst 2001 in Zug abgespielte.
Am Donnerstag, 27. September, gelangte Friedrich Leibacher (†57) unbehelligt ins Zuger Parlamentsgebäude. Er hatte diverse Schusswaffen dabei. Leibacher begann wild um sich zu schiessen und tötete innert weniger Minuten 14 Politiker und verletzte mehrere Personen. Der Attentäter erschoss sich nach dem Anschlag selbst. Leibachers Motiv: Er wähnte sich als Opfer der Zuger Politik.
Bundeshaus fährt seither Sicherheitsmassnahmen hoch
Zwar hatte der Leiter der Zürcher Baupolizei, Günther Tschanun (79) 1986 im Amtshaus schon vier seiner Mitarbeiter erschossen, aber der Angriff auf die Zuger Volksvertreter war ein Novum in der friedlichen Schweiz. «Man hatte sich ein solches Attentat nicht vorstellen können», erklärt Brühwiler. Nach dem Schock folgten Taten: Politische Institutionen verschärften schweizweit ihre Sicherheitsmassnahmen – sofern diese damals überhaupt vorhanden waren.
Auch im Bundeshaus wurden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht. Die Parlamentsdienste brachten Metalldetektor und Gepäckröntgenanlagen an. «Seit dem Anschlag in Zug werden die Sicherheitsmassnahmen laufend verstärkt», betont Sprecherin Maret. Es folgten Sicherheitsschleusen und Zufahrtsblockaden – das ganze Programm.
Reichen die Sicherheitsvorkehrungen der Schweiz?
Ausserdem werde die Sicherheitslage seither laufend vom Fedpol, der Kantonspolizei Bern und dem Nachrichtendienst des Bundes analysiert – sodass man während einer geplanten Demonstration oder anderen möglichen Gefährdungen die Massnahmen verschärfen könne. Das sei «ein Balanceakt zwischen offener Demokratie und Sicherheit», so Maret.
Und doch drangen seit dem Zuger Attentat immer wieder Personen unberechtigt ins Schweizer Parlamentsgebäude ein. Zuletzt sorgten ein verurteilter Terrorunterstützer und kurz darauf Klimaaktivisten, die die Ratsdebatte mit einem Banner störten, für Aufsehen. Beide hatten sich während den Herbstsessionen 2019 ohne Probleme ins Bundeshaus eingeschleust. Man versichert, dass in der Folge die Parlamentsdienste die Sicherheitsmassnahmen weiter verschärften. Wie genau, sagen die Behörden aber nicht.
Grund für die Ausschreitungen: Donald J. Trump
Mit den Ausschreitungen in Washington sind Ereignisse in der Schweiz jedoch nicht zu vergleichen. Die USA unterscheide sich in einem Punkt diametral von der Schweiz, sagt US-Kennerin Brühwiler. «Es ist auszuschliessen, dass ein Regierungsmitglied der Schweiz Menschenmassen zu solchen Taten aufwiegeln würde», meint sie. Dass ein Präsident mit einem Mob spielt, so wie es Donald Trump (74) getan hatte, davon seien wir hier in der Schweiz weit entfernt.
Dennoch bleibt abzuwarten, ob die Erstürmung des US-Kongresses nicht doch noch weitere Sicherheitsmassnahmen im Bundeshaus mit sich ziehen. In Deutschland will Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (78, CDU) den Reichstag in Berlin besser schützen lassen. Auch für ihn trägt Trump eine Mitverantwortung für die Unruhen in Washington.