Nach seinem Nein zum Rahmenabkommen setzt der Bundesrat auf einen Plan mit drei Säulen. Erstens will er prüfen, welche Gesetze er anpassen kann, um sie in Übereinstimmung mit jenen der EU zu bringen. Den ersten Schritt dazu – die Prüfung, was geeignet sein dürfte – will Justizministerin Karin Keller-Sutter (57) noch vor der Sommerpause abschliessen.
Zweitens möchte man – sobald sich der Pulverdampf verzogen hat – mit der EU über Dossiers reden, bei denen beide Seiten ein Interesse haben.
Und drittens will der Bundesrat als Zeichen des guten Willens die Kohäsionsmilliarde überweisen. Dabei handelt es sich um 1,3 Milliarden Franken, die über zehn Jahre ausbezahlt werden – für Bildungsprojekte in Osteuropa und als Unterstützung für EU-Staaten, die besonders von Migration betroffen sind.
Bundesrat muss Parlament fragen
Dieser Mitgliederbeitrag zur Teilnahme am EU-Binnenmarkt soll helfen, damit Brüssel nicht in eine Sanktionslogik verfällt. Doch für die Auszahlung muss der Bundesrat das Parlament um Erlaubnis bitten. Es hatte die Zahlung 2019 mit der Begründung blockiert: Solange die Schweiz diskriminiert wird, zahlen wir nicht. Im Zentrum stand dabei die fehlende Anerkennung unserer Börsenregeln als gleichwertig mit jenen der EU.
Inoffiziell erhoffte sich das Parlament aber ein Faustpfand für die EU-Verhandlungen. Den Ausschlag gaben damals FDP und Mitte, die mit der SVP für diesen Vorbehalt sorgten.
Jetzt bewegen sich Mitte und FDP
Mit dem Abbruch der Verhandlungen hat das Pfand an Wert verloren – und die Parteien bewegen sich. Die Mitte hat in Aussicht gestellt, der Auszahlung zuzustimmen. «Es ist wichtig, das Verhältnis zur EU in einem ersten Schritt zu stabilisieren und den bilateralen Weg weiterzuentwickeln», sagt Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (57). Die Freigabe der Kohäsionszahlung könne helfen.
Auch FDP-Chefin Petra Gössi (45) sagt: «Über die Kohäsionsmilliarde kann man sicher reden.» Zurückhaltender ist ihr Ständerat Ruedi Noser (60): «Jetzt muss man mal abwarten, wie die EU reagiert.» Wenn diese die Schweiz weiterhin schlechterstelle, bleibe er «sehr kritisch».
Entscheid in der Herbstsession
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (42) lehnt die Zahlung weiterhin ab. Anders sieht es SP-Co-Chef Cédric Wermuth (35): Die Schweiz solle die Kohäsionsmilliarde nun rasch freigeben und die Summe auch substanziell erhöhen, findet er.
Für die Session von nächster Woche reicht es nicht mehr, um die Freigabe des Kohäsionsbeitrags zu beschliessen. Nach der Sommerpause, bei der nächsten Zusammenkunft des Parlaments im Herbst, soll es aber so weit sein.