«Extreme Kostenfolgen»
In unseren Spitälern liegen Menschen, die dort nicht hingehören

Eigentlich sollten sie längst in einem Pflegeheim sein, doch wegen Platzmangel müssen die Patienten länger im Spital bleiben. Die Kostenfolgen sind enorm. Schuld daran tragen die Kantone, sagt der Verband der Pflegeeinrichtungen.
Publiziert: 09.09.2023 um 00:19 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2023 um 08:53 Uhr
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In Schweizer Krankenhäusern liegen die Menschen länger als ursprünglich geplant. Im Universitätsspital Zürich sind es im Schnitt drei Tage zu viel.
Foto: Keystone
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Robin BäniRedaktor

In Schweizer Krankenhäusern liegen Menschen, die dort nicht hingehören. Wer auf einen stationären Aufenthalt angewiesen ist, muss deswegen mancherorts warten. Kein Bett, keine Behandlung.

Allein im Spital Nyon VD war 2022 jedes siebte Bett mit einem Patienten belegt, der keine Spitalpflege benötigte. Bei 140 Plätzen sind das im Schnitt 18 bis 20 Betten, die blockiert waren. Wie konnte es so weit kommen?

Schuld daran sind die Kantone

Vorneweg: Die Menschen, die Spitalbetten blockieren, tun dies unfreiwillig. Sie müssen auf eine Überweisung in eine Rehaklinik oder ein Alters- und Pflegeheim warten, weil der Platz auch dort knapp ist.

Schuld daran tragen die Kantone, sagt Senesuisse, der Verband der wirtschaftlich unabhängigen Alters- und Pflegeeinrichtungen. Deren Geschäftsführer Christian Streit (43) kritisiert: «Die meisten Kantone planen zu wenige Pflegeplätze in Heimen ein, weil sie Zusatzkosten fürchten.»

Dabei wäre der Bedarf enorm, wie ein Bericht des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) aus dem Jahr 2022 zeigt. Demnach braucht es bis 2040 zusätzlich 683 bis 921 Pflegeheime, um den Ansturm der Babyboomer aufzufangen.

Spitex ist teurer

Besonders prekär ist die Lage in der Romandie. Die Westschweizer Kantone haben den Bau neuer Pflegeheime vernachlässigt und stattdessen auf den Pflegedienst der Spitex gesetzt. Für Betroffene hat das den Vorteil, dass sie zu Hause bleiben können und nicht in ein Heim umziehen müssen.

Doch für Christian Streit von Senesuisse geht es diesen Kantonen vor allem ums Geld: «Die Westschweizer Kantone nehmen an, dass die Spitex billiger sei, weil dafür keine neuen Pflegeeinrichtungen gebaut werden müssen.» Dabei beweist ausgerechnet eine von Spitex Schweiz in Auftrag gegebene Studie das Gegenteil: Ab einer Stunde Pflegebedarf pro Tag kann ein Aufenthalt in einem Altersheim günstiger sein.

Ärzte müssen Eingriffe hinausschieben

Inzwischen verschiebt sich das Platzproblem der Heime auf die Spitäler. «Es entstehen extreme Kostenfolgen», sagt Streit und rechnet vor: «Ein Tag im Altersheim kostet 200 bis 300 Franken, während es im Spital zwischen 1000 und 3000 Franken sind – also rund zehnmal mehr. Hinzu kommen entgangene Einnahmen, weil die Ärzte geplante Eingriffe hinausschieben müssen.»

Wie gross das Problem ist, ist kantonal unterschiedlich. Die Kantone entscheiden selbst, wie sie Spitäler und Heime planen. Manche Kantone gehen das Heim-Problem an, andere sind auf Sparkurs und schauen weg. So teilt Senesuisse mit, dass man von fehlenden Pflegeheimplätzen in den Kantonen Baselland, Freiburg, Neuenburg, Waadt und Wallis wisse.

Grossteil der Patienten muss warten

In Zürich hingegen bereitet die Überweisung in die Pflegeheime weniger Kopfzerbrechen. Dafür ist es dort jedoch schwierig, geeignete Plätze in Rehakliniken zu finden. Das Universitätsspital Zürich (USZ) schreibt, dass es bei zwei Dritteln der Patienten zu Verzögerungen komme. Im Schnitt belegen die Patienten das Bett drei Tage länger als ursprünglich geplant.

Aber: «Wie stark das mit den verfügbaren Plätzen in den Rehakliniken zusammenhängt, können wir nicht abschätzen», heisst es vom USZ. Denn später verlegt werden auch Patienten, die wegen eines medizinischen Hintergrunds länger bleiben müssen. Wie gross der Anteil der zu lang liegenden Patienten ist, die wegen Platzmangels in den Rehas ausharren, ist somit unklar.

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Spitalverband hat keine Übersicht

Auch schweizweit gibt es keine Übersicht darüber, wie viele Spitalbetten durch sogenannte Wartepatienten blockiert sind, also durch Menschen, die eigentlich überwiesen werden könnten. «Es gibt kein nationales Monitoring», schreibt der Spitalverband H+.

Klar hingegen ist, dass sich die Situation zuspitzen wird – Stichwort Babyboomer, also die geburtenstarken Jahrgänge, die nun ins Rentneralter kommen. Zwar haben einige Kantone inzwischen Bau- und Ausbauprojekte für Pflegeheime gestartet. Doch bis zur Inbetriebnahme dauert es im Schnitt acht bis zehn Jahre.

Für den Senesuisse-Geschäftsführer Streit hätten die Kantone früher mit dem Bau beginnen müssen. «Aber leider konnten sich die Pflegeheime nicht gegen die Macht der Kantone durchsetzen.» Letztlich würden darunter alle leiden – besonders die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen.

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