Auf einen Blick
- Ex-BAV-Direktor kritisiert SBB-Verwaltungsrat für Dosto-Beschaffung
- Füglistaler bezeichnet den Kauf des Doppelstockzugs von Bombardier als Flop
- Hohe Folgekosten für Anpassungen an Bahnhöfen und Schienenausbau
Was Peter Füglistaler (65), der ehemalige Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV), in einem Blogeintrag vom 4. November schreibt, birgt Zündstoff. Bis Ende Juli war er noch im Amt, jetzt hält Füglistaler dem Verwaltungsrat der SBB gravierende Versäumnisse vor. Ins Zentrum stellt der ehemalige Spitzenbeamte dabei die Beschaffung des Doppelstockzugs Dosto von Bombardier durch die SBB. Diesen Kauf bezeichnet Füglistaler als «Flop».
Im Regionalverkehr und bei den Gütern habe der SBB-Verwaltungsrat beschränkten Einfluss, und bei den Immobilien habe er gute Arbeit geleistet. Nicht aber bei der Beschaffung von Rollmaterial für den Fernverkehr: «Es wurde ein Fahrzeug beschafft, das weder technisch reif war, noch auf die bestehende Bahninfrastruktur passte.»
Folgekosten in Milliardenhöhe
Als Pannen- und Schüttelzug bekannt, sorgt der Dosto seit Jahren für Negativschlagzeilen. Die SBB lassen nun die Drehgestelle der Wagen umbauen, um die Probleme zu beheben. Die Bahn betont, dass alle Züge inzwischen abgenommen seien und die vertraglichen Anforderungen erfüllten. Die Dosto-Flotte gehöre zu den zuverlässigsten der SBB.
Füglistalers Ausführungen im Blog lesen sich anders. Die Bahnhöfe auf der West-Ost-Achse hätten wegen Beschaffungsentscheids verlängert werden müssen, was Milliarden Franken koste. Zudem müssten mit dem späteren Schienenausbau noch einmal Milliarden aufgewendet werden, um die Fahrzeiten ohne höhere Kurvengeschwindigkeiten zu reduzieren. Dabei sei das höhere Tempo in den Kurven eigentlicher Zweck der Dosto-Beschaffung gewesen.
Besonders brisant an Füglistalers Kritik ist der Angriff auf den SBB-Verwaltungsrat mit Monika Ribar (65) an der Spitze. Umso mehr, da die «SonntagsZeitung» das Aufsichtsgremium kürzlich entlastete. Laut einem Dokument aus dem Jahr 2014 waren die Schwierigkeiten intern zwar bekannt, dem Verwaltungsrat aber vorenthalten worden.
Füglistaler zweifelt an dieser Darstellung: Ein kompetenter Verwaltungsrat müsse sich zu einem derart wichtigen Geschäft selber eine Meinung bilden und der Geschäftsleitung kritische Fragen stellen können. «Ist es wirklich möglich, dass die Zweifel und Widerstände gegen den Kauf dieser Fahrzeuge nie bis ins oberste Gremium gedrungen sind?», fragt der Ex-Direktor des BAV ungläubig. Da der SBB-Verwaltungsrat angeblich so wenig Einfluss habe, folgert Füglistaler in seinem Blog provokativ, könne das Gremium von neun Personen verkleinert und damit die Entschädigung aufgrund der «bescheidenen Verantwortung» reduziert werden.
Anregung, nicht Kritik
Das BAV sei bei der Dosto-Beschaffung nicht gefragt worden, hält Füglistaler im Blog fest. Dass ein ehemaliger Chefbeamter kurz nach seiner Pensionierung so heftig gegen den wichtigsten Exponenten seines Wirkungsgebiets austeilt, ist aussergewöhnlich – auch wenn Füglistaler die SBB schon in seiner Amtszeit wiederholt kritisiert hatte, wegen ihres Widerstands gegen eine Marktöffnung etwa oder weil sie stets mehr Subventionen fordere.
Auf Anfrage von Blick gibt sich Füglistaler zurückhaltend. Seine deutlichen Worte im Blog zur Rolle des Verwaltungsrats definiert er als Äusserungen zu aktuellen Fragestellungen: «Diese verstehe ich nicht als Kritik, sondern als Anregungen für Verbesserungen.»
Im Juli, kurz vor seiner Pensionierung – nach 14 Jahren in diesem Amt – hat der ehemalige BAV-Direktor die Firma Peter Füglistaler Public Transport Solutions gegründet. Auf deren Website ist auch der Blogeintrag zur Verantwortung des SBB-Verwaltungsrats publiziert. Zu seiner aktuellen Tätigkeit sagt Füglistaler, er habe derzeit ein Mandat in Deutschland inne.
Zur Kenntnis genommen
Seit 2014 gehört Monika Ribar dem SBB-Verwaltungsrat an, seit 2016 präsidiert sie das Gremium. Die Äusserungen Füglistalers lässt sie unkommentiert. «Wir haben den Blogbeitrag zur Kenntnis genommen», richtet SBB-Sprecher Moritz Weisskopf lediglich aus. Und das BAV betont, die Dosto-Beschaffung nicht zu verantworten, denn «die Beschaffung von Rollmaterial für den Fernverkehr fällt in die unternehmerische Verantwortung der SBB», sagt BAV-Sprecher Michael Müller.