Der Hauseigentümerverband (HEV) erlebt turbulente Tage. Jetzt legt Ansgar Gmür (69), der den Verband von 2000 bis 2018 leitete, im SonntagsBlick-Interview offen, dass er gar nicht mehr Mitglied ist. Er sagt, was er im HEV ändern würde, warum er eine Mietzinserhöhung durchaus okay findet – und was er Jüngeren rät, die ein Haus kaufen wollen.
SonntagsBlick: Am Donnerstag wurde bekannt, dass der Referenzzinssatz von 1,25 auf 1,5 Prozent steigt – was Mieterinnen und Mieter zu spüren bekommen werden: Die Mieten könnten um bis zu drei Prozent steigen. Sind Sie froh, dass Sie zu den Hauseigentümern gehören?
Ansgar Gmür: So einfach ist das ja nicht. Über 100'000 Mitglieder des Hauseigentümerverbands sind auch Vermieter. Damit sind viele Eigentümer direkt davon betroffen.
Sie haben hier Gelegenheit, zum Verzicht auf Mietpreiserhöhungen aufzurufen – einem Beitrag gegen die Inflation!
Ich war dabei, als der tiefe Referenzzinssatz kam. Schon damals warnte ich: Wenn Ihr jetzt von den Vermietern fordert, die Mieten zu senken, müsst Ihr auch damit leben, dass die Mieten mit dem Zinssatz wieder steigen werden. Genau das trifft jetzt ein.
Der Anreiz für Vermieter, die Lage auszunutzen, ist doch immens!
Klar gibt es immer schwarze Schafe. Aber die Forderung, dass die Vermieter jetzt stillhalten, befremdet mich. Und um eines klarzustellen: Die Nationalbank muss die Inflation bekämpfen, ist jetzt aber zugleich Inflationstreiberin.
Das ist sehr einfach. Es gibt die wildesten Prognosen – vom Crash des Immo-Markts bis zur Preisexplosion. Was würden Sie heute jungen Leuten raten, die ein Eigenheim kaufen wollen?
Junge Leute wie meine drei Töchter? Die sind um die 30 und verheiratet. Das ist auch bei ihnen ein Thema. Hier drei wichtige Regeln. Erstens: Nicht dreinschiessen. Zweitens: Es gibt immer wieder Gelegenheiten. Drittens: Der Immobilienmarkt geht nicht immer nur rauf.
Na ja, mit Personenfreizügigkeit, Tiefsteuerpolitik und Zuwanderung wird die Nachfrage kaum so schnell einbrechen.
Ein Bekannter sagte mir: Wenn Deutschland mit seiner Wirtschaftspolitik so weitermacht, werden die Besserverdienenden in Scharen in die Schweiz ziehen, was einen riesigen Hype auslösen würde. Aber es könnte auch anders kommen. Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger hiess es auch: Das geht nie mehr runter! Ein paar Jahre später brachen die Preise ein. Hinzu kommt die Anspruchshaltung in diesem Land, die mich immer wieder erstaunt.
Welche Haltung meinen Sie?
Es können nicht alle am Bürkliplatz wohnen. Ich lebte vor vielen Jahren einmal in London und hatte anderthalb Stunden in die Innenstadt. Hier bringt mich der Zug praktisch auf die Sekunde genau ins Zentrum. Im Raum Zürich bin ich dank des S-Bahn-Netzes innert 20 Minuten vom Oberland in der City, Wenn Sie etwas in der Agglomeration suchen, finden Sie bezahlbare Objekte. Nehmen Sie die Oberseeregion: Rapperswil und Schmerikon sind teuer, Uznach wird schon erschwinglicher.
Mit anderen Worten: Sie halten die Leute für verwöhnt?
Viele Jüngere sind sogenannte Dinks, «double income, no kids»: Also Doppelverdiener, die erst später Kinder haben. Wenn die jährlich zwanzig oder dreissigtausend Franken auf die Seite legen, haben sie doch bereits nach zehn Jahren ein ordentliches Eigenkapital! Aber so viel Geduld scheint nur noch selten vorhanden. Die Leute zögern am Samstag im Laden, wenn das Joghurt zehn Rappen teurer geworden ist, aber wenn sie eine Immobilie kaufen, geht das ruckzuck.
Sie haben gut reden.
Als wir unser erstes Haus kauften, fuhr ich einen alten Daihatsu, und wir verzichteten die ersten zehn Jahre auf Ferien. Ich sagte meiner Familie: Wir haben ein Haus, dann müssen wir eben auf anderes verzichten.
Damals war der Hypozins auch höher.
Fünf Prozent galten damals als günstig! Die Leute haben sich mittlerweile an die Eins vor dem Komma gewöhnt. Man sollte aber auch heute nicht das erstbeste Angebot der Bank nehmen, es gibt da grosse Unterschiede.
Sie gelten als Monopolbrecher im Hypothekenmarkt.
Zusammen mit dem VZ Vermögenszentrum haben wir damals den Markt aufgemischt. Von manchen Bankern an der Bahnhofstrasse wurden wir geradezu geächtet.
Ende 2018 traten Sie als Direktor des Hauseigentümerverbands zurück. Verfolgen Sie die aktuelle Debatte über den Verband? FDP-Ständerat Ruedi Noser ist aus Protest ausgetreten, weil ihm dessen Kurs zu SVP-nah ist.
Ich habe mit einem Naserümpfen auf die HEV-Kampagne gegen das Klimaschutzgesetz reagiert. Ein prominenter Bekannter sagte mir kürzlich: Jetzt trete ich aus!
Was hat der HEV falsch gemacht?
Ich will keine Ratschläge erteilen. Aber ich hätte die Position des HEV proaktiver kommuniziert. Dass er jetzt als SVP-Ableger wahrgenommen wird, ist fatal. Da hätte man in der Öffentlichkeit besser agieren sollen. Es gab 2016 einen ähnlichen Fall, als der HEV gegen das Asylgesetz war. Ich haderte zuerst; wir hatten im Vorstand hitzige Diskussionen. Dann konnte ich mich davon überzeugen, dass der Gesetzestext tatsächlich Enteignungen möglich machte. Wir haben daraufhin entsprechend sorgfältig in der Öffentlichkeit kommuniziert. Denn so ein grosser Verband darf nicht den Anschein erwecken, einer Partei nahezustehen. Der HEV vertritt die Schweizer Hausbesitzer, da sind Bürger von allen politischen Richtungen dabei.
Sie sprechen sehr kritisch über einen Verband, den Sie fast zwanzig Jahre lang leiteten. Ist das noch Ihr HEV?
Ich bin ausgetreten – und zwar aus persönlichen Gründen. Meine Frau ist noch dabei.
Wann sind Sie ausgetreten?
Das war 2019, nach meinem Rücktritt als Direktor. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich finde den HEV wichtig und notwendig und gut. Aber ich bin draussen, mich geht das nichts mehr an.
Wie stimmen Sie am 18. Juni ab: Ja oder Nein zum Klimaschutzgesetz?
Ich weiss es noch nicht. Ich selbst habe meine Hausaufgaben gemacht: Wir heizen mit einer Wärmepumpe und haben eine neue Fensterisolation. Als Liberaler stört es mich, wenn man die Bürger mit Zwang steuert. Energiepolitik soll ohne Zwang gehen. Nun will ich herausfinden, wie viel Zwang in der Vorlage steckt.