Das ist eine gute Nachricht für Asylminister Beat Jans (59). Die Asylreform, die die EU soeben beschlossen hat, bringt für den neu gewählten SP-Bundesrat Entlastung. Bindend ist für die Schweiz aber nur der Teil, bei dem es um die Weiterentwicklung von Schengen/Dublin geht. Beim zweiten Teil, bei dem es um die Solidarität zwischen den europäischen Staaten geht, ist die Schweiz aber frei darin, mitzumachen oder nicht. Bei den Treffen der europäischen Justiz- und Innenminister, dem sogenannten JI-Rat, wird sich die Schweiz aber kaum ihrer Verantwortung entziehen können.
Noch kann niemand sagen, wie genau die Auswirkungen des EU-Pakts sind. Denn freilich steckt auch hier der Teufel im Detail. Eine gewisse Abschreckung dürfte das neue System jedoch haben – sowohl auf Schlepper, wie auch auf Personen, die nicht persönlich an Leib und Leben bedroht sind. Für sie soll es nämlich raschere Verfahren geben. Sie müssen also damit rechnen, schnell wieder abgeschoben zu werden.
Haft für Migranten
Geplant sind Auffanglager an der Schengen-Aussengrenze. Hier sollen Asylsuchende zur Abklärung ihrer Identität und Herkunft faktisch inhaftiert werden. Ob dem nicht noch gerichtlich ein Riegel geschoben wird, muss sich zeigen.
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Wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Anfrage mitteilt, begrüsst es die Stossrichtungen der Reformen. «Damit sollen die irreguläre Migration nach Europa sowie die Sekundärmigration innerhalb des Schengen-Raums verringert werden», so die Migrationsbeamten. Heisst ausgedeutscht: Man hofft im SEM schon, dass die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz sinkt. Nur: Ob das tatsächlich so kommt, weiss niemand. Läuft alles nach Plan, wird die Reform laut dem SEM 2026 oder 2027 in Kraft treten.
Teufel liegt im Detail
In der Praxis dürfte es bei der Solidarität hapern. Wenn in einem Auffanglager an einem Tag entschieden wird, dass von 100 Migranten 60 keinerlei Aussicht auf Asyl in Europa haben, gelingt es dann, die 40 anderen zu verteilen? Diese sollen ja nach einem Verteilschlüssel an Schengen-Staaten zugewiesen werden. Nur: Länder wie Ungarn, aber neu auch Schweden und Finnland dürften kaum gewillt sein, ihren Beitrag zu leisten. In diesem Fall soll sich ein Staat freikaufen können. Die Rede ist von 20'000 Euro pro Migrant.
Angenommen, Ungarn müsste von den 40 Menschen zwei übernehmen, würde es wohl die fälligen 40'000 Euro berappen. Oder, was auch gehen soll, sich durch Unterstützungsarbeiten von der Aufnahmepflicht entbinden. Was aber ist, wenn es statt zwei Personen 2000 wären, die ein Land wie Ungarn aufnehmen müsste? Kommt es dann seinen Verpflichtungen nach? Und gelingt es Migranten, die keine Aussicht auf Asyl haben, von einer Insel wie Lampedusa zurückzuschicken?
Laut Experten verdichten sich die Anzeichen, dass neu selbst Frankreich und Deutschland restriktiver werden bei der Aufnahme. Wer soll da einspringen? Zwar sind im Falle eines Kriegs wie nach dem Angriff auf die Ukraine Krisenregelungen angedacht, doch selbst in normalen Zeiten dürfte die Zuweisung schwierig sein.
Rosinenpickerei?
Doch: Will sich Beat Jans im Justiz- und Innenministerrat (JI-Rat) nicht dem Vorwurf aussetzen, die Schweiz betreibe wieder einmal Rosinenpickerei, wird er zu jenen Ministern gehören müssen, die Hand bieten zur Aufnahme von Asylsuchenden.
«Zur Bekämpfung der irregulären Migration begrüsse ich die EU-Reform», sagt Eduard Gnesa (70). Blick erreichte den früheren Direktor des Bundesamts für Migration auf der Rückreise von einem europäischen Treffen von Migrationsexperten in Wien – bei dem just die EU-Asylreform Thema war. Doch auch dort war man sich einig: Welche Auswirkungen die Reform im Detail haben wird, kann derzeit noch nicht seriös beurteilt werden.