Das ist bitter: Da hat das Justizdepartement von Karin Keller-Sutter (58) jahrelang das sogenannte Flugpassagier-Gesetz erarbeitet. Im Kampf gegen den Terror sollen die Daten von Flugpassagieren weltweit systematisch ausgewertet werden. Auch der Bund muss sich beteiligen, damit Schweizer etwa künftig visafrei in die USA einreisen können.
Kantone, Parteien und Verbände konnten sich zum neuen Gesetz bereits äussern, dieses könnte nach ein paar Anpassungen dem Parlament zur Genehmigung vorgelegt werden – und jetzt kommt der Europäische Gerichtshof (EuGH) und kassiert das Ganze ein!
Sechs Monate statt fünf Jahre
In einem Urteil hat der EuGH der Datenspeicherung bei Flügen enge Grenzen gesetzt. Fluggesellschaften in der EU müssen zwar weiter viele Informationen über Passagiere an die Behörden weiterleiten. Die Polizei darf sie aber nur noch auswerten, wenn es eine reale Terrorbedrohung gibt oder zumindest ganz konkrete Anhaltspunkte für ein schweres Verbrechen. Das heisst auch, dass es nicht erlaubt ist, die Daten zu anderen Zwecken zu nutzen, also etwa um illegale Einreisen aufzudecken.
Nachdem eine belgische Menschenrechtsorganisation geklagt hatte, kommen die Richter des obersten EU-Gerichts zum Schluss, dass Daten auch nicht bis zu fünf Jahre gespeichert werden dürfen. Sechs Monate sind für sie in Ordnung, wenn sich in dieser Zeit nicht ergeben hat, dass die Reise im Zusammenhang mit gefährlichen Straftaten stand. Nur noch dann dürfen Daten länger aufbewahrt werden.
Und weiter: Künstliche Intelligenz darf nur begrenzt zur Auswertung eingesetzt werden. Klare Kriterien sollen verhindern, dass die Maschinen immer neue Verhaltensweisen bestimmen, die als verdächtig gelten.
Parteien hatten ohnehin Bedenken
Diese erheblichen Einschränkungen durch fremde Richter dürften in der Schweiz durchaus auch auf Anklang stossen. Denn der Gesetzesentwurf des Justizdepartements stiess in der Vernehmlassung bei den Parteien auf breiten Widerstand. Sogar der Law-and-Order-Partei SVP geht er zu weit. Speicherzeiten von bis zu fünf Jahren seien unnötig, zu teuer und aus Gründen des Datenschutzes zu lange.
Grundlegende Bedenken hatten auch die Sozialdemokraten genannt. Sie zweifeln daran, dass mit einer solchen systematischen Bearbeitung von Flugpassagierdaten Terror und weitere schwere Straftaten tatsächlich wirksam zu bekämpfen sind. «Es ist fraglich, ob Terroristen und weitere Schwerstkriminelle tatsächlich Linienflüge benutzen und dabei ihre wahre Identität preisgeben», hält die SP-Spitze in ihrer Stellungnahme fest.
Gesetz muss zurück auf Feld eins
Nun aber muss Keller-Sutters Justizdepartement ohnehin grundlegend über die Bücher. «Wir sind zurzeit daran, mit unseren Partnerbehörden in der EU die Folgen des Urteils auf die bereits bestehenden europäischen Fluggastdaten-Systeme und auf unseren Gesetzesentwurf zu analysieren», bestätigt Christoph Gnägi vom Bundesamt für Polizei (Fedpol).
Danach muss die Vorlage überarbeitet und erneut Kantonen, Parteien und Verbänden zur Vernehmlassung vorgelegt werden. Bei der Überarbeitung des Gesetzesentwurfs würden auch schon mal die Eingaben aus der ersten Vernehmlassungsrunde ausgewertet, verspricht Gnägi.
Wichtig aber bleibt, dass eine Gesetzesgrundlage kommt. Denn heute müssen zwar Fluggesellschaften, die von der Schweiz aus Destinationen in der EU oder in den USA anfliegen, bereits Passagierdaten liefern. Die Schweiz selber aber darf sie zur Terror- und Kriminalitätsbekämpfung nicht nutzen.