Systematisches Sammeln von Flugpassagierdaten
Keller-Sutter stösst im Kampf gegen den Terror auf breiten Widerstand

Im Kampf gegen Terror und Schwerstkriminalität werden weltweit die Daten von Flugpassagieren ausgewertet. Da will auch die Schweiz nicht hinten anstehen. Mit ihrem Gesetzesentwurf stösst Justizministerin Karin Keller-Sutter bei den Parteien aber auf Widerstand.
Publiziert: 28.07.2022 um 11:33 Uhr
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Aktualisiert: 28.07.2022 um 19:21 Uhr
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Im Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität werten mehr als 60 Länder systematisch die Daten von Flugpassagieren aus.
Foto: imago images/Andreas Haas
Daniel Ballmer

Name, Kontaktdaten, Buchungsort und Zahlungsinformationen: Wer ein Flugticket kauft, hinterlässt eine Datenspur. Alleine in der Schweiz fallen jedes Jahr rund 60 Millionen solcher Datensätze an. Im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität werten mehr als 60 Länder rund um den Globus diese Informationen systematisch aus.

In der Schweiz aber fehlt dafür bis heute die gesetzliche Grundlage. Das will Justizministerin Karin Keller-Sutter (58) nun mit dem sogenannten Flugpassagier-Gesetz ändern. Das wird international von der Schweiz erwartet. Zur Auswertung der Daten würde beim Bundesamt für Polizei (Fedpol) dann extra eine Dienststelle mit voraussichtlich 20 bis 30 Mitarbeitenden geschaffen.

Sammelwut geht Parteien zu weit

Nur: Keller-Sutters Pläne stossen bei den Parteien auf breiten Widerstand. Das zeigen die Stellungnahmen zur öffentlichen Vernehmlassungsvorlage. Kurz vor Abschluss der Vernehmlassungsfrist Ende Juli zeigt sich: Links wie Rechts haben erhebliche Bedenken.

So begrüsst die Law-and-Order-Partei SVP zwar den Datenaustausch bei verdächtigen oder steckbrieflich gesuchten Personen. Die pauschale Speicherung aller Passagierdaten auf Vorrat geht ihr aber zu weit. Die Speicherzeit von sechs Monaten und in anonymisierter Form sogar fünf Jahre sei unnötig, zu teuer und aus Gründen das Datenschutzes zu lange.

Dabei verweist die SVP auf Richtlinien des von ihr sonst so ungeliebten Europäischen Gerichtshofs. Demnach sind nach sechs Monaten alle Personendaten zu löschen, wenn kein klarer Verdacht besteht. Auch seien die Daten nicht automatisch, sondern nur in konkreten Verdachtsfällen weiterzugeben.

SP zweifelt an Wirksamkeit

Das entspreche fast der bisherigen Praxis des Nachrichtendienstes (NDB), hält die SVP fest. Daher hält sie es für sinnvoller, dessen Befugnisse anzupassen, statt eine «neue, teure und überbürokratische Stelle» zu schaffen, die genau die Arbeit des NDB übernehme.

Ähnliche Kritik kommt auch von links-grün. Die SP weist ebenfalls auf die Verhältnismässigkeit und den Datenschutz hin. «Zudem erachten wir das Argument nicht als überzeugend, dass mit einer solchen systematischen Bearbeitung von zahlreichen Flugpassagierdaten Terror und weitere Schwerstkriminalität tatsächlich wirksam bekämpft werden kann», hält die Partei fest. «Es ist fraglich, ob Terroristen und weitere Schwerstkriminelle tatsächlich Linienflüge benutzen und dabei ihre wahre Identität preisgeben.»

Die Grünen wiederum sprechen von «massiven, unverhältnismässigen Eingriffen» in die Grundrechte von Flugpassagieren.

Die Vereinigung Digitale Gesellschaft spricht gar von einer Aushöhlung der Grundrechte aller Menschen in der Schweiz. Sie wehrt sich ausdrücklich gegen die «geplante neue Massenüberwachung und Vorratsdatenspeicherung», mit der «behaupteten Erhöhung der Sicherheit für die ganze Gesellschaft» sie das nicht zu begründen.

Unterstützung bisher nur aus der Mitte

Unterstützung findet Keller-Sutter bisher einzig bei der Mitte-Partei. Mit der Möglichkeit künftig selber auch Flugpassagierdaten bearbeiten zu können, zeige sich die Schweiz solidarisch gegenüber dem restlichen Europa, «da sie keine Sicherheitslücken im Schengen-System zulassen will».

Wichtig sei dabei, dass sich die Vorlage bereits am neuen Datenschutz-Gesetz orientiere, das 2023 in Kraft treten soll. Die Datenbearbeitung sei nur zum gesetzlichen Zweck erlaubt und Treffer seien doppelt zu überprüfen. «Aus Sicht der Mitte ist dadurch der Datenschutz der Reisenden ausreichend gewährleistet.»

Hoffen darf die FDP-Bundesrätin noch auf Hilfe aus den eigenen Reihen. Allzu viel Herzblut scheint allerdings auch der Freisinn nicht für die Vorlage aufzubringen. Die FDP verspätet sich mit ihrer Stellungnahme und musste eine Fristerstreckung beantragen.

Die Grünliberalen verzichten wegen fehlender Ressourcen sogar gleich ganz auf eine Stellungnahme. Nationalrat und Datenschutz-Experte Jörg Mäder (47) lässt aber ebenfalls Skepsis durchblicken: «Eine solche Vorratsdatenspeicherung geht für mich in eine falsche Richtung», erklärt er.

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