Wem gehört eine Handynummer? Wo hält sich die Person gerade auf? Solche Daten kann die Polizei beim Dienst für Überwachung des Fernmeldeverkehrs (ÜPF) abfragen. Und das tut sie in vielen Kantonen immer häufiger.
Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, sind die Abfragen in den letzten Jahren massiv gestiegen: In Basel-Stadt etwa hat sich die Anzahl verlangter Auskünfte beim ÜPF gar verfünffacht! Von durchschnittlich elf Anfragen pro Tausend Einwohner im Jahr 2019 auf über 55 Anfragen im letzten Jahr.
Auch Zürich verzeichne einen Anstieg, hier hat sich die Anzahl der Anfragen verdoppelt, in Bern wiederum verdreifacht.
Beliebte Antennensuchläufe
Gegenüber der Zeitung begründen die zuständigen Staatsanwaltschaften und Polizeien den Anstieg unterschiedlich. Bern oder Schaffhausen etwa heben die sogenannten Antennensuchläufe hervor, die jeweils mehrere Tausend solcher Abfragen erforderlich machen.
Mit einem Antennensuchlauf lässt sich herausfinden, welche Handys in einem bestimmten Zeitraum an einer bestimmten Antenne eingewählt waren. Nur eben: Bei solchen Abfragen wird nicht nur die einzelne verdächtige Person ermittelt, sondern alle anderen, die in der Nähe waren, werden ebenfalls erfasst.
Weiter wird auf neue Funktionen im Computerprogramm für die Fernmeldeüberwachung verwiesen, oder auf «neue Ermittlungsansätze» dank der einfachen Auskünfte.
«Eine Form der Massenüberwachung»
Martin Steiger, Rechtsanwalt und Sprecher der Digitalen Gesellschaft Schweiz, vermutet noch einen anderen Grund für den Anstieg: Die ÜPF-Anfragen kosteten die Polizeien anders als früher heute keinen Franken Gebühren mehr.
Steiger kritisiert die Vorratsdatenspeicherung durch die Mobiltelefonie-Anbieter, die verpflichtet sind, bestimmte Daten sechs Monate zu speichern und bei Bedarf der Polizei zu liefern. Das sei «eine Form der Massenüberwachung, denn alle werden ohne Anlass und Verdacht erfasst».
Auch die Piratenpartei kritisiert «Discount-Tarife» bei der Handyüberwachung. Wenn mit wenigen Klicks Bewegungsprofile und persönliche Daten abrufbar sind, würden dadurch auch vollkommen Unschuldige ins Visier geraten, ist Präsident Jorgo Ananiadis überzeugt.
EJPD widerspricht
Das Justizdepartement (EJPD) unter Karin Keller-Sutter (58) wehrt sich gegen die Berichterstattung. In einer am Freitagnachmittag veröffentlichten «Richtigstellung» kritisiert es, dass im Artikel falsche Zusammenhänge suggeriert würden. Die Überwachung seitens Polizei habe nicht zugenommen, gestiegen sei nur die Anzahl «einfacher Auskünfte». Diese seien mit einer Telefonbuchabfrage vergleichbar, da sich damit etwa Inhaber von Handynummern identifizieren lasse.
Wo sich eine Person aber aufhält, könne nur durch Überwachung in Echtzeit herausgefunden werden. Und dafür reichen ein paar Klicks auf der Polizeistube nicht: Es brauche eine Anordnung der Staatsanwaltschaft, sowie eine Genehmigung eines Zwangsmassnahmengerichts. Die Anzahl solcher Massnahmen sei in den letzten Jahren gar gesunken, heisst es in der Richtigstellung.
Auch gegen Behauptung, dass die einfachen Auskünfte nichts mehr kosten wehrt, wehrt man sich. Gratis sind sie tatsächlich nicht, gesunken ist der Preis aber laut der EJPD-Richtigstellung tatsächlich – und das deutlich: von früher 250 Franken auf heute noch 5 Franken. (gbl)