EU führt seit einem Jahr eine Registrierungsplattform
Schweiz fehlt noch immer bei Ukrainer-Datenbank

Seit einem Jahr registriert die EU Schutzsuchende aus der Ukraine in einer Datenbank. Dies auch, um Missbrauch zu verhindern. Die Schweiz hingegen macht noch immer nicht mit.
Publiziert: 23.05.2023 um 12:49 Uhr
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Aktualisiert: 23.05.2023 um 13:28 Uhr
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Die EU führt eine Registierungsplattform für Schutzsuchende aus der Ukraine.
Foto: Keystone
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Seit über einem Jahr tobt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Millionen von Menschen mussten flüchten. Rund vier Millionen Menschen haben in der EU vorübergehend Schutz gefunden. Auch die Schweiz hat fast 80'000 Menschen Schutz gewährt, wobei derzeit noch gut 65'000 Geflüchtete über einen aktiven Schutzstatus verfügen. 14'000 Ukrainerinnen und Ukrainer haben die Schweiz in den vergangenen Monaten wieder verlassen.

Offen bleibt dabei, ob diese in die Ukraine zurückgekehrt sind oder in einen anderen Drittstaat weitergezogen sind – beispielsweise in ein EU-Land. Entsprechende Daten fehlen. Das wäre allenfalls anders, wenn die Schweiz bei der EU-Registrierungsplattform für Ukrainerinnen und Ukrainer mitmachen würde. Seit einem Jahr werden auf dieser nämlich alle Geflüchteten registriert, die einen «vorübergehenden Schutz» erhalten haben – was dem hiesigen Schutzstatus S entspricht.

Registrierung soll Missbrauch verhindern

Die Ukrainer-Datenbank soll dafür sorgen, dass eine gewisse Übersicht über die Verteilung besteht und die Aufnahme besser koordiniert werden kann. Zudem will die EU damit verhindern, dass sich Schutzsuchende in verschiedenen Ländern gleichzeitig anmelden und so zum Beispiel missbräuchlich doppelt oder sogar mehrfach Unterstützungsgelder – etwa Sozialhilfe – beziehen.

Grundsätzlich gilt nämlich, dass die Schutzsuchenden frei in ein anderes Land wechseln können, da der Status für die ganze EU gilt. Wer also beispielsweise von Polen nach Deutschland wechselt, hat dann in Deutschland statt in Polen Anspruch auf entsprechende Unterstützung wie etwa Sozialhilfe.

Schweizer Beteiligung bleibt bisher aus

Vor einem Jahr kündigte die damalige Justiz- und heutige Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59, FDP) an, dass sich auch die Schweiz an der Plattform beteiligen will. Aus diesem Plan ist – auch unter der neuen Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider (59, SP) – bisher nichts geworden, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) Blick bestätigt.

«Die Schweiz hat seit der Lancierung dieser Plattform ihr Interesse signalisiert, dabei zu sein», sagt SEM-Sprecher Samuel Wyss. «Die Diskussionen mit der EU-Kommission sind weiterhin im Gang.» Die Schweiz kläre dazu eine Reihe rechtlicher und technischer Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen würden.

Ein Thema sei etwa der Datenschutz. «Zusätzlich geht es etwa auch darum, zu prüfen, welche Daten aus den IT-Systemen des SEM in die Plattform geladen werden – und auf welche Art und Weise dieser Upload geschieht», so Wyss. Geklärt werden müsse auch, welche Stellen in der Bundesverwaltung Zugriff auf die Plattform haben sollen.

Wie gross ist der Nutzen?

Zudem stellt sich auch die Frage, ob die Plattform der Schweiz wirklich nützt oder doch eher mit Nachteilen verbunden ist. Gerade mit Blick auf Missbrauchsverhinderung zeigen die Erfahrungen im vergangenen Jahr, dass es hierzulande selten zu Missbrauch des Schutzstatus kommt.

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«Dass Geflüchtete mit Schutzstatus von einem EU-Land in die Schweiz weiterziehen, ist nur vereinzelt zu beobachten», sagt Wyss. Es gebe auch Fälle, in welchen schon vor dem Krieg in einem EU-Land lebende Ukrainer versucht hätten, in der Schweiz den Schutzstatus S zu erlangen. «Wir überprüfen jeden Antrag genau und lehnen solche Fälle ab.»

Ob sich die Schweiz in absehbarer Zeit doch noch bei der EU-Registrierungsplattform beteiligt, kann der SEM-Sprecher nicht sagen. «Die Gespräche mit Brüssel zeigen aber, dass auf beiden Seiten ein grundsätzliches Interesse an einer Teilnahme der Schweiz besteht», so Wyss.

Offen bleibt vorerst auch, welche Rechte und Pflichten für die Schweiz beziehungsweise die Schutzsuchenden damit verbunden wären. Das müsste in einem entsprechenden Abkommen festgelegt werden. Bloss: «Ein entsprechender Entwurf liegt der Schweiz bisher nicht vor», bestätigt Wyss.

SVP-Bircher will Aus für Schutzstatus

Ob auch noch das Parlament seinen Segen geben müsste, würde vom konkreten Inhalt eines Abkommens abhängen. Ohne kritische Fragen würde es jedoch kaum durchgehen. «Grundsätzlich würde ich eine solche Datenbank begrüssen, damit sich Missbrauchsfälle besser verhindern lassen», sagt beispielsweise SVP-Nationalrätin Martina Bircher (39, AG). «Heute tappen wir im Dunkeln, wenn jemand in Deutschland und der Schweiz doppelt Sozialhilfe kassiert.» Dann folgt ein grosses Aber: «Einfach das ganze EU-Recht zu übernehmen, kommt für mich allerdings nicht infrage.»

Sie möchte vielmehr, dass sich die Schweiz vom Schutzstatus S verabschiedet und auch für Ukrainer das ordentliche Asylverfahren zu Anwendung kommt. Im März 2024 läuft der Schutzstatus nämlich aus. «Verlängert werden soll er dann nur noch für jene, die ihn bereits heute haben – und dies, solange der Krieg andauert», so Bircher. «Wer aber neu ankommt, soll ein Asylgesuch stellen.»

Damit will die SVP-Frau auch jenen Kräften entgegenwirken, welche den Schutzstatus auf weitere Personengruppen ausweiten wollen. «Je länger der Schutzstaus bleibt, umso wahrscheinlicher wird es, dass die damit verbundenen Privilegien auf alle Asylsuchenden ausgeweitet werden» befürchtet Bircher. «Das müssen wir verhindern.»

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