EU-Beitritt sei ein «Witz», finden die anderen Parteien
SP läuft mit Europa-Plänen auf

Die SP will einen Weg aus der EU-Misere gefunden haben. Doch die Reaktionen inner- und ausserhalb der Partei zeigen: Der linke Masterplan dürfte wieder in eine Sackgasse führen.
Publiziert: 31.10.2022 um 20:04 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2022 um 10:07 Uhr
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Die SP hat am Parteitag am Wochenende in Basel eine EU-Strategie verabschiedet.
Foto: keystone-sda.ch
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Volle Fahrt in die EU! Nach einer mehrstündigen Debatte hat die SP am Wochenende eine Europa-Strategie verabschiedet. Ihr Fahrplan nach Brüssel sieht mehrere Zwischenstationen vor. Am Schluss liegt das erklärte Ziel: Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union.

Doch ob dieser Plan wirklich richtig Fahrt aufnimmt, ist zweifelhaft. Den Genossen weht nicht nur ein rauer Wind von anderen Parteien entgegen – auch parteiintern drücken manche auf die Bremse. Das zeigte sich bereits am Parteitag vom Wochenende, an dem die SP sich auf den Plan einigte.

«So sexy wie ein Sandalenträger»

Die Juso wehrte sich vergebens gegen den Fahrplan. «Das Thema ist etwa so sexy wie ein Sandalenträger in Socken», ereiferte sich ein Mitglied. Man habe derzeit drängendere Sorgen. Als einen «schlechten Witz» bezeichnete eine junge Frau die Pläne gar.

Auch der Gewerkschaftsflügel der SP ist alles andere als begeistert. Man nehme den EU-Fahrplan «zur Kenntnis», sagt Travailsuisse-Präsident und alt SP-Nationalrat Adrian Wüthrich (42) diplomatisch. Mit dem Papier unterstreiche die SP die Wichtigkeit des Lohnschutzes und fordere zudem dessen Ausbau. «Die SP weiss: Ohne Lohnschutz hat die Europapolitik keine Chance.» Eine Aufforderung und gleichzeitig eine Warnung an die Genossen.

Und Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (54) hat schon in der Vergangenheit deutlich gemacht, wie weit er bereit ist, der EU entgegenzukommen: keinen Zentimeter. Der Präsident des Gewerkschaftsbundes war aber selbst Teil der Arbeitsgruppe, die das Europapapier ausgearbeitet hat. Quer gelegt hat er sich offenbar nicht.

Gibt es einen gemeinsamen Nenner?

Mit auf die Reise nach Brüssel will die SP auch alle anderen Parteien – ausser die SVP – mitnehmen. Damit ein mehrheitsfähiger Weg aus der EU-Sackgasse befahren werden kann, möchten die Sozialdemokraten die alte Europa-Koalition wiederbeleben. Doch bei den möglichen Reisebegleitern hält sich die Lust in Grenzen, auf den SP-Zug aufzuspringen.

Vor allem mit dem endgültigen Reiseziel sind nicht alle Parteien einverstanden: «Grundsätzlich sind wir immer offen für Gespräche», leitet FDP-Chef Thierry Burkart (47) seine Entgegnung ein. Doch: «Auf der Basis eines EU-Beitritts finden wir keinen gemeinsamen Nenner.» Burkarts Parteikollegin und Nationalrätin Petra Gössi (46) bezeichnet den SP-Plan genauso wie das Juso-Mitglied als «Witz». Für die frühere freisinnige Parteipräsidentin ist nicht nachvollziehbar, dass die Genossen gegen das Rahmenabkommen waren, nun aber an einen EU-Beitritt denken.

SP müsse bei sich selbst kehren

Auch GLP-Fraktionschefin Tiana Moser (43) findet das Verhalten der SP widersprüchlich und unglaubwürdig. «Die Forderung nach einem EU-Beitritt bringt für die aktuellen Probleme nichts und ist realitätsfremd. Wir brauchen Kompromissbereitschaft und eine Lösung für die institutionellen Fragen. Dann können wir auch Antworten für die Forschung und den Strom finden», sagt sie. Hier müsse die SP endlich Farbe bekennen.

Mitte-Präsident Gerhard Pfister (60) spielt den Ball ebenfalls an die Genossen zurück: «Wenn die SP die Europa-Koalition wiederherstellen will, muss sie erst im eigenen Haus aufräumen.»

So sieht der SP-Plan aus

Der sozialdemokratische Fahrplan sieht konkret vor, in einer ersten Etappe mit der EU zu einem Stabilisierungsabkommen zu gelangen. Dabei soll sich die Schweiz, so die Vorstellung der Partei, beispielsweise zur Aufnahme von mehr Flüchtlingen bereit erklären und die Kohäsionszahlungen aufstocken.

In der nächsten Etappe soll dann ein «Assoziierungsabkommen» verhandelt werden, das den Marktzugang zur Europäischen Union regelt – ebenso wie die institutionellen Fragen, über die man sich bisher nicht einigen konnte. Die Eckpunkte für dieses Abkommen soll das Parlament in einem Europagesetz festlegen. Dies soll dann die Grundlage für den letztlichen EU-Beitritt sein.

Mitstreiter für Reisepläne gewinnen

SP-Nationalrat Jon Pult (38), der die Arbeitsgruppe leitete, verteidigt auf Anfrage den EU-Fahrplan seiner Partei. «Der einzige Weg zu mehr Souveränität ist und bleibt ein EU-Beitritt», sagt der Partei-Vize. Doch dieser stehe jetzt nicht im Zentrum. «Kurzfristig muss unser Verhältnis zur EU stabilisiert werden», so seine Meinung, der sich am Sonntag eine klare Mehrheit der SP angeschlossen hat.

Pult weist darauf hin, dass wesentliche Teile des SP-Plans im Nationalrat bereits aufgegleist wurden und auf gutem Weg seien. «Darum glauben wir daran, dass es möglich ist, Mehrheiten zu finden», bekräftigt er.

Es dürfte aber noch viel Arbeit auf die Leitung der Genossen warten, Mitstreiter innerhalb wie ausserhalb der Partei für die Reisepläne zu finden.

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