Alain Berset (50) alarmierte mit seinem Flug in einem gemieteten Privatflugzeug nicht nur die französische Luftpolizei, sondern auch die Klimapolizei. Auch Daniel Jositsch (57) las Berset wegen dessen Flug-Affäre die Leviten. Angesichts der aktuellen Energiekrise und dem Klimaschutz sei es unverständlich, dass Berset in seiner Freizeit mit einem Privatflieger durch die Gegend fliegt, so der Zürcher SP-Ständerat.
An sich selbst stellt der Strafrechtsprofessor weniger strenge Ansprüche. Wie CH Media publik machte, ist nämlich auch Jositsch alles andere als ein Klimaheiliger.
31 Leute eine Woche in Kolumbien
Anfang Oktober unterrichtet Jositsch das Seminar «Einführung ins kolumbianische Strafrecht» – aber nicht etwa in den Vorlesungssälen der Universität Zürich, sondern in Kolumbien. Das Interesse an der Veranstaltung ist offensichtlich gross, das Dekanat stimmte einer Verdopplung der Teilnehmerzahl von 15 auf 30 zu.
Am 1. Oktober wird Jositsch deshalb zusammen mit 30 Studierenden nach Bogota fliegen. Vier Tage später geht die Reise nach Cartagena an der Karibikküste weiter – natürlich ebenfalls per Flug. Während des einwöchigen Seminars werden die Studierenden unter anderem den Schweizer Botschafter treffen, Vorträge zum kolumbianischen Strafprozessrecht, zu Korruption und Drogenhandel hören und ein kolumbianisches Gefängnis besuchen.
Das bedeutet, dass die 31-köpfige Gruppe in nur einer Woche deutlich mehr CO₂-Emissionen erzeugt als Berset mit seinem einmotorigen Leichtflugzeug über Jahre hinweg verursachen würde. Was sagt Jositsch dazu? Gegenüber CH Media gab er sich wortkarg: «Ich mache aus beruflichen Gründen ein Seminar», hielt er knapp fest.
Uni Zürich findet es vertretbar
Die Universität Zürich sieht kein Problem. Zwar verfolge man «ein klares Ziel der Reduktion der Treibhausgase», so Thomas Gächter, Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät zu Blick. Deshalb seien solche Auslandsseminare mit Flugreisen die Ausnahme.
Das Kolumbien-Seminar finde zum ersten Mal statt und sei Teil der Kooperation mit der dortigen Rechtsfakultät, so Gächter. Ökologisch findet man das Seminar deshalb «im Rahmen der fakultären Gesamtpolitik vertretbar». Schliesslich handle es sich um eine «universitäre Kooperationsveranstaltung, nicht um eine Vergnügungsreise». Wie relevant es für angehende Schweizer Juristen und Juristinnen ist, sich vor Ort mit dem kolumbianischen Strafrecht auseinanderzusetzen, sei mal dahingestellt.