Am Dienstag Daniel Jositsch (57), am Mittwoch Evi Allemann (44), am Donnerstag Eva Herzog (60): Im Tagesrhythmus haben SP-Politikerinnen und SP-Politiker diese Woche ihre Bundesratskandidatur bekannt gegeben. Am Freitag folgte nun die vierte im Bunde: die jurassische Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider (58).
Sie sei glücklich, ihre Kandidatur für die Nachfolge der abtretenden Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) bekannt zu geben, sagte die SP-Politikerin an einer Medienkonferenz in Bern. «Ich habe wirklich Lust!» Sie glaube, das mitzubringen, was eine Bundesrätin brauche. «Ich bin eine Frau der Bodenständigkeit und der Tatkraft», sagte sie mit viel Esprit in der Stimme. Zudem bringe sie Menschen zusammen. Sie habe immer aus der Position einer Minderheit heraus gearbeitet und politisiert – als Frau, als SPlerin, als Jurassierin. Das habe sie geprägt, sie sei eine Kämpfernatur, so Baume-Schneider. Es gehe ihr nicht um die Macht, betonte sie. Aber sie wolle sich engagieren. Und sie fügte an: «Alle Leute sind ehrlich. Aber ich bin ehrlicher.»
Auf die Frage, ob sie über das Rentenalter hinaus im Bundesrat bleiben würde, sagt Baume-Schneider, die am 24. Dezember 59 Jahre alt wird: «Ich würde mit 65 als Bundesrätin aufhören.» Sollte es wirklich notwendig sein, könne sie sich vorstellen, noch ein, zwei Jahre anzuhängen. Doch sie sei nicht bereit, bis 70 Bundesrätin zu bleiben. «Ich bin aber überzeugt, dass man auch in sechs Jahren in der Landesregierung viel erreichen kann.»
Die unbekannte Kandidatin
Viele, gerade Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer, dürften den Namen der Romande noch nie gehört haben. Dabei sitzt die ehemalige Regierungsrätin seit Anfang Jahr im Vizepräsidium der SP Schweiz. Seit 2019 vertritt sie den Kanton Jura im Ständerat und wird – sofern sie dann noch immer im Rat ist – ab Dezember 2023 die kleine Kammer turnusgemäss ein Jahr präsidieren.
Wer ist die Frau? Und welche Argumente sprechen für eine Bundesrätin Baume-Schneider? Ein Porträt in 4 Punkten:
1. Halbe Deutschschweizerin
Die Herkunft ist Baume-Schneiders grösstes Handicap. Weil mit der Wahl einer Westschweizerin oder einer Tessinerin die lateinische Schweiz im siebenköpfigen Bundesrat eine Mehrheit hätte und damit klar übervertreten wäre, haben es Westschweizer Kandidierende schwerer. Doch Elisabeth Baume-Schneider hat diesbezüglich ein Ass im Ärmel.
Weil ihr Vater Deutschschweizer ist, spricht die Bauerntochter sehr gut Schweizerdeutsch – besser als Hochdeutsch, wie sie an der Medienkonferenz sagte. Dass sie des Deutschen mächtig ist, ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil, der mit ein Grund dafür sein dürfte, dass sie sich in Bern seit ihrer Wahl 2019 schnell einen Namen gemacht hat.
2. Familienfrau
Viele SPler würden sich eine junge Frau als künftige Bundesrätin wünschen. Da passt Elisabeth Baume-Schneider mit ihren 58 Jahren und zwei erwachsenen Söhnen nicht ins Schema.
Doch die ehemalige Vorsteherin des jurassischen Bildungsdepartements weiss sehr genau, wovon sie spricht, wenn es ums Thema Vereinbarkeit von politischer Karriere und Familie geht. In den 2000er-Jahren, als sie noch Kantonsrätin im Jura war, sorgte sie für Aufsehen, als sie ihr Baby mit in die Sitzung nahm. Eine Premiere in der Geschichte des Jura und wahrscheinlich auch auf schweizerischer Ebene.
3. Erster Jurassierin
Würde Baume-Schneider gewählt, wäre der Kanton Jura erstmals im Bundesrat vertreten. Aus einem kleinen Kanton wie dem Jura zu kommen, könne hilfreich sein für den Bundesrat, zeigte sie sich überzeugt. Die Realität und die Interessen der Randregionen müssten in der Landesregierung stärker berücksichtigt werden. Damit brachte Baume-Schneider ein neues Kriterium ein, mit dem sie punkten will: Nicht Deutschschweiz oder lateinische Schweiz, nicht Geber- oder Nehmerkanton, sondern Randregion oder Zentrum.
Baume-Schneider ist ihrem Dorf Les Breuleux in den Freibergen immer treu geblieben. Neben dem Bauernhaus, in dem sie mit ihrem Mann lebt, weiden Schwarznasenschafe, die Sozialarbeiterin ist ehrenamtlich in einem solidarischen Lebensmittelladen tätig. Sie kennt aber auch die urbane Realität der Westschweiz. So leitete sie für mehrere Jahre die Hochschule für Soziale Arbeit und Gesundheit in Lausanne, nachdem sie 2015 aus der jurassischen Regierung ausgeschieden war.
4. Aus dem linken Flügel
Elisabeth Baume-Schneider ist seit Jahrzehnten in der Politik aktiv. Sie war 13 Jahre lang jurassische Regierungsrätin, bevor sie nach einer vierjährigen Polit-Pause 2019 in den Ständerat gewählt wurde. Dort präsidiert sie die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie. Es heisst, dass ihre einflussreiche Position in ihrer Fraktion ihr grösster Trumpf sei. Sie sei fähig, Allianzen zu schmieden und Kompromisse zu erzielen. Sie sei die «perfekte Kandidatin», schwärmte der Waadtländer SP-Nationalrat Samuel Bendahan (42), der Baume-Schneider an die Medienkonferenz begleitet hatte, vor den Journalistinnen und Journalistin.
Ein Pluspunkt könnte bei der parteiinternen Ausmarchung sein, dass sie als bisher einzige Kandidatin aus dem linken Flügel der Partei kommt. Bevor sie der SP beitrat, war sie bei der Revolutionären Marxistischen Liga. Das wiederum könnte ihr, sollte sie es aufs SP-Ticket schaffen, beim bürgerlichen Lager Stimmen kosten.
Auf die ideologischen Unterschiede zu den anderen Kandidierenden angesprochen, sagte Baume-Schneider, sie sei wohl vor allem grüner als ihre Konkurrenz. «Ich habe immer mit den Grünen gestimmt.» Zudem politisiere sie wohl bei Steuer- und Versicherungsthemen eher linker. «Es ist mir wichtig, dass die Fraktion eine Auswahl hat. Dann ist es an ihr, zu entscheiden.»
Überraschung nicht ausgeschlossen
Mit der Kandidatur von Baume-Schneider kommt neue Dynamik ins linke Bundesratsrennen. Baume-Schneider wurde bisher als Aussenseiterin betrachtet. Als klare Favoritin gilt die Basler Ständerätin Eva Herzog. Doch Überraschungen sind in einem Bundesratswahlkampf nie ausgeschlossen.
Herzogs grösste Hürde ist die fraktionsinterne Ausmarchung. Es ist durchaus möglich, dass sie einigen Kolleginnen und Kollegen zu rechts tickt. Gleichzeitig könnte Baume-Schneider Punkte holen beim linken Flügel, Westschweizer Kolleginnen und Kollegen, aber auch bei Deutschschweizer Männern, die selbst Bundesratsambitionen hegen und deren Chancen mit einer Westschweizer SP-Bundesrätin steigen würden.
Und sollte es Herzog nicht auf ein Zweier-Ticket schaffen, ist der erste Bundesratssitz für den Kanton Jura plötzlich greifbar.
Wer will kandidieren, wer hat abgesagt? Die Übersicht zur Sommaruga-Nachfolge.