Einfacherer Rausschmiss, mehr Hürden für Untermiete, mehr Rendite
Parlament will Mietern Rechte streichen

Höhere Mieten, weniger Rechte. Das Parlament will die Rechte von Mieterinnen und Mietern beschneiden. Blick erklärt, was ihnen konkret droht.
Publiziert: 27.06.2023 um 19:56 Uhr
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Aktualisiert: 28.06.2023 um 07:55 Uhr
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Der Genfer SP-Ständerat und Mieterverbands-Präsident Carlo Sommaruga kritisiert den Angriff auf die Rechte von Mietern.
Foto: keystone-sda.ch
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Für Mieterinnen und Mieter sind es harte Zeiten. Wegen des Anstiegs des Referenzzinssatzes drohen vielen happige Mietzins-Erhöhungen. Laut der Rechtskommission des Ständerats besteht die Gefahr, dass die Mittelschicht die Mieten bald nicht mehr zahlen kann.

Trotzdem haben die Ständeräte Anfang Woche mehrere Gesetzesänderungen durchgewunken, die erneut die Mietenden treffen. Sie mögen einzeln für sich wenig spektakulär klingen. Doch die Summe ist es, die Carlo Sommaruga (63) in Alarmbereitschaft versetzt.

Der Genfer SP-Ständerat ist Präsident der Rechtskommission. Aber vor allem präsidiert er den Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz, der sich Anfang Woche mit einem Appell an seine Kolleginnen und Kollegen im Rat gewandt hatte. Über 30'000 Menschen forderten den Ständerat darin auf, den Angriff auf das Mietrecht zu stoppen.

Der Appell blieb ungehört. Folgendes droht Mieterinnen und Mietern:

  • Einfacherer Rausschmiss: Heute kann ein Eigentümer den Mietvertrag nur kündigen, wenn er dringenden Eigenbedarf geltend machen kann – er selbst oder enge Verwandte die Wohnung also unbedingt brauchen. Der Nationalrat hat sich bereits dafür ausgesprochen, diese Regelung zu lockern. Mieter sollen künftig einfacher und vor allem schneller aus der Wohnung geschmissen werden können. Während Mieterverbands-Präsident Sommaruga dies scharf kritisiert, finden es bürgerliche Parlamentarier wie Mitte-Ständerätin Andrea Gmür (58) «absolut legitim», wenn ein Eigentümer seine Wohnung selbst nutzen will. Angesichts der klaren bürgerlichen Mehrheit im Ständerat dürfte die Lockerung so gut wie beschlossen sein.
  • Mehr Hürden für Untermiete: Wer seine Wohnung untervermieten will – sei das privat oder über Dienste wie Airbnb – muss künftig eine schriftliche Zustimmung des Vermieters einholen. Damit soll Missbrauch verhindert werden, so das Argument der Mehrheit. Die linke Seite aber warnt, dass der Vermieter den Mietvertrag neu praktisch per sofort kündigen kann – selbst wegen eines kleines Formfehlers. Auch hier steht mit dem Ja der Rechtskommission die Annahme so gut wie fest. «Diese und die Eigenbedarf-Änderung dienen nur dazu, dass Mietern mit günstigem Mietzins einfacher gekündet werden kann, um die Mietzinse zu erhöhen», so der Vorwurf Sommarugas.
  • Überhöhte Mieten: Eigentümer dürfen den Mietzins nicht einfach Handgelenk mal Pi festsetzen. Das Bundesgericht hat vor drei Jahren festgelegt, dass ein Vermieter eine Rendite erzielen darf, die höchstens zwei Prozent höher als der Referenzzinssatz liegt. Das Problem – abgesehen davon, dass sich viele Vermieter nicht daran halten: Die 2-Prozent-Regelung gilt nur, solange der Zins unter 2 Prozent liegt. Was, wenn er höher klettert? Die Rechtskommission will da nun Rechtssicherheit schaffen. Der Entscheid fiel einstimmig, auch wenn Linke befürchten, dass die Immobilienlobby im Parlament auf diesem Weg versuchen wird, höhere Renditen für Vermieter im Gesetz zu verankern, was die Mieten weiter steigen liesse. Dieses Geschäft steht anders als die andern allerdings erst am Anfang.

«Viele dieser Änderungen kommen auch Mietern zugute», findet der Ausserrhoder Ständerat Andrea Caroni (43). Doch auch er räumt ein, dass es sich insgesamt um eine Stärkung der Rechte der Vermietenden handelt.

Verband droht mit Abstimmung

Sommaruga hingegen spricht von einem «Skandal». Weitere Vorstösse, um das Mietrecht zu schwächen, sind schon in der Pipeline. Sorgen bereitet Mietervertretern insbesondere eine Forderung, die einst Hans Egloff (63), Präsident des Hauseigentümerverbands und Ex-SVP-Nationalrat, eingebracht hat. Geht es nach ihm, sollen Neumieter einen mutmasslich überrissenen Anfangsmietzins nur dann anfechten dürfen, wenn sie sich in einer Notlage befinden. Und das, während schon jetzt die Hürden sehr hoch sind. Gerade einmal 0,2 Prozent der Anfangsmietzinse werden angefochten.

Der Mieterverband hat bereits ein «Doppelreferendum» gegen die Schwächung des Mieter-Rechts bei Untermiete und Eigenbedarf angekündigt. In der Schweiz, dem Land der Mieter, muss sich die Immobilienlobby warm anziehen.

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