Ein US-Ausschuss, die sogenannte Helsinki-Kommission, hat in den vergangenen Tagen aus allen Rohren gegen die Schweiz geschossen. Die Kommissionsmitglieder zweifeln die Integrität der Schweizer Justiz an, sprechen von Korruption und wollen drei Schweizer sanktionieren, darunter den ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber (57).
Erneut zieht der mächtige Staat auf der anderen Seite des Atlantiks eine Drohkulisse gegen die Schweiz auf. Schon in den vergangenen Monaten hatten die USA vermehrt Druck aufgesetzt. So hiess es, die Schweiz gehe zu lasch gegen russische Oligarchengelder vor und helfe Russland sogar, indem sie Nein sagte zur Lieferung von Panzern an die Ukraine.
EDA interveniert auf «hoher Ebene»
Bereits im Juli hat der Bund die Vorwürfe zurückgewiesen. Wie die Tamedia-Zeitungen am Freitag berichten, schaltet sich jetzt das Aussendepartement (EDA) auch auf diplomatischer Ebene ein. Demnach habe das EDA auf hoher Ebene interveniert, um seine Uneinigkeit mit den Äusserungen der Helsinki-Kommission mitzuteilen. In der Antwort kontert das EDA auch den Vorwurf, dass die Schweizer Justiz mangelhaft arbeite: «Die Schweiz ist ein funktionierender Rechtsstaat, in dem die Gewaltentrennung respektiert wird.»
Mehr zu den US-Vorwürfen
Auch setze die Schweiz die Sanktionen konsequent um und habe 7,5 Milliarden Franken gesperrt, was im internationalen Vergleich ein hoher Betrag sei. «Behauptungen, dass die Schweiz weniger tue als andere Länder und dass sie immer noch Gelder sanktionierter Personen beherberge, ohne sie einzufrieren, sind unbegründet.»
Auch Bundesanwalt interveniert
Auch Bundesanwalt Stefan Blättler suchte den Kontakt zu seinem US-Amtskollegen. Die Schweiz sei ein funktionierender Rechtsstaat, in welchem die Gewaltentrennung respektiert werde. Die Bundesanwaltschaft (BA) gab gegenüber der Sendung «Echo der Zeit» von Schweizer Radio SRF an, Bundesanwalt Stefan Blättler habe während der Woche Kontakt zu seinem Amtskollegen Bruce Swartz gesucht habe. Blättler sei die Unabhängigkeit der BA äusserst wichtig. Entsprechend schütze er sie gegen gegen politische und anderweitige Druckversuche. Im übrigen stellte die BA direkt zu Beginn des Kriegs gegen die Ukraine die Rechtshilfe an Russland provisorisch ein.
In der Schweiz untersuchen sowohl die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) als auch die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) von National- und Ständerat seit drei Jahren das Vorgehen der Bundesanwaltschaft, heisst es im «Echo der Zeit». «Der Fall ist bei uns auf dem Radar», sagt GPK-Ständerat-Präsident Matthias Michel. Momentan seien aber noch Rechtshilfeverfahren hängig, darum würde sich die Untersuchungen verzögern. «Aber der Fall wird nicht versanden», verspricht er.
Grosse Krise könnte drohen
Ob die Intervention den US-Druck zu lindern vermag, ist allerdings fraglich. Gegenüber SRF sagte der ehemalige Botschafter Thomas Borer (66): «Noch haben wir ein kleines Problem. Aber wenn man Probleme nicht richtig angeht, können diese zu grossen Krisen werden.» Die Schweiz müsse sofort handeln, um nicht auf der Anklagebank zu landen.
Borer rät dem Bundesrat daher, der Taskforce G7 beizutreten, die russische Oligarchengelder aufspürt. Zudem müsse die Schweiz offensiv kommunizieren, damit der USA klar werde: «Die Schweiz ist bei der Blockierung von russischen Oligarchengeldern ein vorbildliches Land.»
Von der Ernsthaftigkeit der Situation überzeugt ist auch der Historiker Sacha Zala (54). Gegenüber SRF sagt er, die Schweiz könne nicht als Kleinstaat unter dem Radar bleiben. Denn die Schweiz sei zwar eine wirtschaftliche Macht. Aber letztlich den Mitteln von Grossmächten unterlegen. Er schliesst mit den Worten: «Das Bankgeheimnis lässt grüssen.»
(rba/bro)