USA sollen Ex-Bundesanwalt Michael Lauber (57) sanktionieren – was dahinter steckt
Droht nun ein grosser Streit?

Die USA sollen den ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber sanktionieren. Was steckt dahinter? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Publiziert: 01.08.2023 um 17:14 Uhr
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Aktualisiert: 01.08.2023 um 17:16 Uhr
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Der ehemalige Bundesanwalt Michael Lauber soll in den USA sanktioniert werden.
Foto: Keystone

Bill Browder (59) hat eine Mission. Aus der Sicht des milliardenschweren Investors und Menschenrechtsaktivisten ist die Schweiz korrupt. Jetzt erzielt er einen ersten Erfolg. Eine US-Kommission – die sogenannte Helsinki-Kommission – will, dass drei Schweizer, unter ihnen auch der ehemalige Bundesanwalt Michael Lauber (57), sanktioniert werden. Browder hatte sich sehr dafür eingesetzt. Was bedeutet das? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was wird Lauber vorgeworfen?

Lauber und die beiden anderen Personen, die ebenfalls bei der Bundesanwaltschaft gearbeitet haben, hätten sanktionierten Russen geholfen, wieder Zugang zu eingefrorenen Geldern im Rahmen des Falles Magnitski zu bekommen. Dazu hätten sie sich von russischen Beamten bestechen lassen, so der Vorwurf Browders.

Warum geht es im Fall Magnitski?

Sergei Magnitski (†37) war der Anwalt des Hermitage Capital Management Fond. Browder hatte diesen mitgegründet und dort investiert. Magnitski deckte einen Betrugs- und Korruptionsskandal von russischen Beamten auf. Diese hatten es auf Browders Geld abgesehen und verschoben 18 Millionen Franken auf Schweizer Konten, unter anderem bei der Credit Suisse. Diese habe das Geld dann wiederum auf ausländische Konten verschoben, so der Vorwurf. Gegenüber «SRF» sagt die Bank, sie hätte sich immer an die gesetzlichen Bestimmungen gehalten.

Magnitski starb 2009 durch Folter in einem russischen Gefängnis. Browder erstattete bei der Schweizer Bundesanwaltschaft Anzeige wegen Verdachts auf Geldwäsche. Die Schweiz friert die Millionen auf den Bankkonten ein. Doch 2021 stellt die Bundesanwaltschaft das Verfahren ein. Ein Teil des Geldes soll wieder zurück nach Russland. Browder tobt. «Das Verhalten der Schweizer Regierung und der Bundesanwaltschaft ist nicht akzeptabel. Das kann man nicht entschuldigen», sagt er gegenüber «SRF».

Besonders pikant: Noch während der Untersuchung tauchen Fotos auf, die Lauber und zwei Bundesangestellte auf einem Ausflug mit dem russischen Generalstaatsanwalt zeigen. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft wurde zudem wegen Vorteilsnahme schuldig gesprochen – im Anschluss an Dienstreisen hat er Einladungen für Jagdausflüge angenommen oder liess sich vom stellvertretenden Generalstaatsanwalt zur Bärenjagd einladen.

Was sagt Lauber?

Lauber weist die Vorwürfe von sich. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagt er, er sei nicht bestechlich. «Ich bin als Bundesanwalt der Sündenbock für alles Mögliche.» Der Vorwurf sei absurd, er habe den Magnitski-Fall weder begonnen noch eingestellt. Er habe auch das Verfahren nicht verschleppt. «Das Problem war die Rechtshilfe.» Man habe nur bei einem kleinen Teil des Geldes einen Zusammenhang belegen können.

Er habe weder Geld noch Geschenke angenommen, lediglich die offiziellen Gastgeschenke, die er der Botschaft überlassen oder bei der Bundesanwaltschaft deponiert habe, so Lauber weiter. Die Reise sei mit der Schweiz abgeklärt und offiziell erwünscht gewesen. Von der Reise seines Mitarbeiters habe er bis zum Verfahren nichts gewusst.

Auch die Bundesanwaltschaft sagt gegenüber «SRF», dass die Verfahren korrekt und justizgerecht geführt wurden.

Was ist die Helsinki-Kommission?

Die Helsinki-Kommission heisst eigentlich «Kommission für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa» und beschäftigt sich mit Menschenrechtsfragen in den ehemaligen Sowjet-Staaten. Die Kommission besteht aus Mitgliedern der beiden Parlamentskammern in den USA und amerikanischen Regierungsbeamten.

Sie soll die Einhaltung der «Schlussakte von Helsinki» überprüfen, das Ergebnis einer Sicherheitskonferenz, die zehn Prinzipien der internationalen Beziehungen festhält.

Die Kommission hat den «Magnitski Act» – auf dessen Grundlage unter anderem Menschenrechtsverletzungen bestraft werden können – initiiert. 2012 wurde das Gesetz verabschiedet.

Wie realistisch ist es, dass Lauber auf die Sanktionsliste kommt?

«Das ist schwierig einzuschätzen», sagt Anti-Korruptionsexperte Mark Pieth zu Blick. Er hat sich viel mit dem Magnitski-Fall beschäftigt. «Lauber und die beiden anderen Personen profitieren nicht davon, wenn das eingefrorene Geld an die Russen zurückgeht.» Die Schweiz müsse Browder aber ernst nehmen. «Er ist als Republikaner sehr gut vernetzt und kann Leute überzeugen.»

Was würde eine Sanktionierung bedeuten?

Falls Lauber sanktioniert wird, dürfte er nicht mehr in die USA einreisen. «Die Sanktionen sind also nicht vergleichbar mit jenen, die für russische Staatsbürger gelten, die jetzt den Krieg in der Ukraine unterstützen», sagt Pieth. Die Konten von Lauber könnte nur die Schweiz selbst sperren. Doch für den ehemaligen Bundesanwalt wäre auch ein Einreiseverbot in die USA schwierig, er hat Berater-Mandate im Ausland, auch bei der amerikanischen und kanadischen Regierung, wie er gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagt. «Wenn ich wirklich auf die Sanktionsliste gesetzt würde, müsste ich mich beruflich neu orientieren.»

Wie hängt der Fall mit den aktuellen Russland-Sanktionen zusammen?

Offiziell gar nicht. Doch die Schweiz steht wegen des Umgangs mit russischen Oligarchengeldern in der Kritik. Browder warf der Schweiz bei einer Anhörung vor, sie habe nur einen Bruchteil der aus Russland stammenden Gelder eingefroren. Kürzlich kam es zu einem Treffen zwischen der Schweizer Rohstoffhandelsbranche, dem Staatssekretariat für Wirtschaft Seco und Vertretern des US-Finanzministeriums. Mit dem Krieg in der Ukraine wurde die Rohstoffbranche wichtiger, einerseits um Sanktionen durchzusetzen, aber auch um die Welt mit Energie zu versorgen.

Lauber spricht im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» davon, dass es der Kommission um die Umsetzung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland ging. «Der Groll gegen die Schweiz entlädt sich nun auf mich. Ich bin als Bundesanwalt der Sündenbock für alles Mögliche.»

Droht nun ein grosser Streit mit den USA?

Das ist schwierig abzuschätzen. Es ist anzunehmen, dass der Druck aus den USA bezüglich den aktuellen Russland-Sanktionen nicht kleiner werden wird. Dass aber ein grosser Streit ausbricht, scheint vorerst unwahrscheinlich.

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