Es ist eine Kapitulation vor Omikron. Der Kanton Graubünden, der als einer der ersten auf breitflächiges Testen setzte, stellt die repetitiven Tests an Schulen und in Betrieben bis auf weiteres ein. Das teilte die Bündner Regierung am Montag mit.
Die rasant steigenden Fallzahlen würden die Labore stark belasten. Zwischen der Testabgabe und dem Vorliegen des Resultats vergehe zu viel Zeit. Ansteckungsketten könnten dadurch nicht mehr innert nützlicher Frist durchbrochen werden. «Die Durchseuchung lässt sich so nicht mehr aufhalten», argumentiert die Regierung.
Durchseuchung weit fortgeschritten
Repetitive Tests sollen nur noch im Kindergarten, in der ersten und zweiten Klasse sowie in Gesundheits- und Betreuungsinstitutionen durchgeführt werden. Dazu gehören etwa Spitäler, Pflegeheime oder Wohnheime für Menschen mit Behinderung. In den Betrieben und Schulen werden demgegenüber bereits ab Dienstag, 12 Uhr, keine regelmässigen Tests mehr stattfinden. Ende Januar will die Regierung die Situation neu beurteilen.
Vom Ende der Massentests sind in Graubünden Tausende betroffen. Laut Regierungspräsident Marcus Caduff (48, Mitte) beteiligten sich 157 Institutionen an den Schultests – das Programm umfasste rund 20'000 Schülerinnen und Lehrer. An den repetitiven Betriebstestungen beteiligten sich rund 4200 Unternehmen mit insgesamt 66'000 Angestellten.
Virus wird sich verbreiten
Das Ziel der repetitiven Tests sei es gewesen, infizierte Personen, die keine Symptome zeigen, zu isolieren, bevor sie andere ansteckten, sagte Regierungspräsident Caduff vor den Medien. Das sei nun nicht mehr möglich. Da schweizweit ein Kapazitätsengpass bestehe, könnten auch nicht andere Testlabore hinzugezogen werden, ergänzte Mitte-Regierungsrat Jon Domenic Parolini (62).
Das Virus dürfte sich nun unbemerkt in der Bevölkerung verbreiten. «Die nächsten Wochen werden herausfordernd werden», sagt Regierungspräsident Caduff. Die Immunisierung der Bevölkerung fände statt. «Über die Impfung oder eine Ansteckung. Das ist die Realität.» Aktuell befinden sich rund fünf Prozent der Bündner Bevölkerung in Isolation oder Quarantäne. Die Positivitätsrate, die den Anteil positiver Test angibt, liegt in den Betrieben bei 6,7 Prozent und in den Schulen bei 1 Prozent – allerdings waren erst gerade Schulferien.
Die Bündner Regierung betonte, dass sie sich beim Stopp der Massentests an die Priorisierungsempfehlung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) halte. Diese sieht im Fall von Test-Engpässen vor, dass an erster Stelle symptomatische Personen und deren enge Kontakte getestet werden. An zweiter Stelle stehen die repetitiven Tests in Gesundheitseinrichtungen, Schulen und Betrieben. Und am Schluss folgen jene, die einen PCR-Test für Reisen oder für ein Covid-Zertifikat brauchen.
Auch andere Kantone setzten Tests aus
Graubünden ist nicht der einzige Kanton, der das Virus nicht mehr konsequent aufspürt. Bereits vergangene Woche hatte der Kanton Aargau die präventiven Tests an Schulen und in Betrieben eingestellt. Man könne Ansteckungsketten nicht unterbrechen, wenn es Tage dauere, bis klar sei, wer infiziert ist, teilte das Aargauer Gesundheitsdepartement mit. Zürich, Basel-Stadt oder Solothurn meldeten demgegenüber, dass Schultests weiterhin machbar seien. Wie lange das bei den stark ausgelasteten Testlaboren allerdings noch der Fall ist, ist fraglich.