Drei Paare zeigen, dass Liebe keine Parteigrenzen kennt
«Mein Grossvater wollte mich wegen Mike enterben»

Umfragen zeigen, wie stark die Liebe an Parteigrenzen gebunden ist. Doch es geht auch anders: Blick stellt drei junge Paare vor, die unterschiedlich politisieren und sich trotzdem lieben. Geschichten von Enterbungen, verlorenen Freunden – und viel Romantik.
Publiziert: 27.12.2024 um 11:58 Uhr
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Aktualisiert: 27.12.2024 um 13:17 Uhr
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Lisa Vincenz und Mike Egger sind das Traumpaar im Bundeshaus.
Foto: Thomas Meier

Auf einen Blick

  • Studien zeigen, dass Paare politisch gerne unter sich bleiben
  • Dazu gibt es einen stärkeren politischen Geschlechtergraben
  • Drei junge Paare erzählen von der Liebe über Parteigrenzen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Nicht immer ziehen sich Gegensätze an. Dieses Jahr wurde viel über die Generation geschrieben, die politisch auseinanderdriftet: Junge Frauen werden linker, junge Männer rechter. Das hat auch Auswirkungen auf die Liebe. Paare bleiben bei der politischen Gesinnung gerne unter sich, wie diverse Studien gezeigt haben.

Sind die polarisierten Zeiten also das Ende von Liebe, die alle Hindernisse überwindet? Ganz und gar nicht! Blick porträtiert drei junge Paare, die sich über Parteigrenzen hinweg lieben.

Mike Egger (SVP) und Lisa Vincenz (FDP)

Lisa Vincenz (29), Co-Präsidentin der St. Galler FDP-Frauen, und SVP-Nationalrat Mike Egger (32) stehen nebeneinander in der Wandelhalle und lachen sich fürs Foto an. «Das wird jetzt das Gesprächsthema des Tages», fürchtet er. Zu reden gibt ihre Beziehung aber auch ohne die Blitzlichter im Parlament: Sie sind derzeit das Traumpärchen im Bundeshaus.

Flüchtig gekannt haben sich die beiden schon eine Weile, richtig gefunkt hat es aber erst unter der Bundeshaus-Kuppel. Lisa Vincenz ist nämlich die persönliche Mitarbeiterin ihrer Mutter, FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz Stauffacher (57), und somit viel in Bundesbern unterwegs. «Ich habe meine Schwiegermutter in spe ständig im Nacken», sagt Egger grinsend. Buchstäblich: Sie sitzt im Nationalrat zwei Reihen hinter ihm.

Ein Linker wäre noch schlimmer gewesen

«Nach dem ersten Date ging es rassig zwischen uns», sagt Vincenz. «Wir haben gleich gewusst, dass es mit uns matcht.» Sie würden zusammenpassen, wie die Faust aufs Auge, sagen die Verliebten von sich. Da war die Parteigrenze kein Hindernis.

Zumindest für die beiden nicht: In Vincenz' FDP-Familie musste sich Egger den Goodwill schon eher erarbeiten. Grossmutter Ruth sei zwar seine erste Cheerleaderin gewesen. Der Grossvater habe da etwas mehr Zeit gebraucht. «Am Anfang wollte er mich enterben», sagt Vincenz. «Eine andere Generation halt.» Als er Egger dann persönlich kennengelernt habe, sei das aber schnell wieder vergessen gewesen. Er war ja zumindest ein Rechter: Noch schlimmer wäre es gewesen, wenn er links wäre.

Auch wenn Egger und FDP-Frau Susanne Vincenz Stauffacher zusammen am Zmorge-Tisch sässen, würden gerne mal die Fetzen fliegen: Wenn man das Thema EU anschneide, «dann haben wir eine Arena 2.0 im Pyjama», erzählt Vincenz. Die beiden würden sich aber blendend verstehen.

Ein «Ja, ich will» nur mit der Individualbesteuerung?

Einige politische Differenzen gibt es aber auch zwischen Vincenz und Egger selbst. Und das ausgerechnet bei ihrem Herzensprojekt, der Individualbesteuerung. Die SVP lehnt den indirekten Gegenvorschlag zur Individualbesteuerung ab – auch Egger hat im Parlament dagegen gestimmt.

«Gerade als junge Frau und weil ich Mike eigentlich sehr gerne einmal heiraten würde, ist mir die Individualbesteuerung sehr wichtig.» Am Anfang sei es schwierig gewesen, dass er ihr Anliegen nicht teilt. «Aber das ist halt der Preis, wenn du mit einem authentischen und geradlinigen Politiker zusammen bist. Er kann ja nicht seine Prinzipien über Bord werfen, weil ich seine Freundin bin.»

Eigentlich wäre die Individualbesteuerung für sie schon eine Bedingung zum Heiraten. Ganz davon abhängig machen will sie es aber nicht, denn der politische Prozess sei ja auch langsam. Ob auch er sich auf eine Hochzeit in näherer Zukunft freut? Trotz seiner Nein-Stimme habe er sich dafür starkgemacht, dass die Umsetzung bei einem Ja schnell gehen würde. Eine Verzögerungstaktik sei demokratisch nicht legitim. Was er nicht sagt: Wahrscheinlich wären sie auch nicht hilfreich für allfällige Antragspläne.

Benjamin von Falkenstein (LDP) und Anouk Feurer (Grüne)

Benjamin von Falkenstein (24), Präsident der Jungliberalen Basel und Vorstandsmitglied der Basler LDP, bringt auf dem Kurznachrichtendienst X gerne mal Linke auf die Palme. Seine Freundin Anouk Feurer (24) tickt ganz anders. Auf Instagram nimmt sie ihre Follower etwa während eines Tages als Grossrätin ins Basler Parlament mit – und sie politisiert bei den Grünen.

Eine Grüne und ein provokativer Liberaler: Für einige Leute in ihrem Umfeld war lange unverständlich, wie das gehen soll. «Im ersten Jahr habe ich nur wenigen von unserer Beziehung erzählt», sagt Feurer. «Ich hatte Angst vor den Reaktionen.»

Prinzip über Mensch

Die Angst habe sich dann teils auch bestätigt. Wenn sie eine andere Meinung vertrat, hiess es direkt, das sei nur, weil sie so viel Zeit mit Benjamin verbringt. Und ein Freund habe sich sogar von ihr abgewendet. «Das war schon heftig. Dann merkst du, dass du als Mensch weniger wichtig bist als irgendein Prinzip.» Bei einigen Linken sorgte die Beziehung für viel mehr Stirnrunzeln als in von Falkensteins liberalen Kreisen. «Links gibt es viele Menschen, für die ist Politik alles. Sie können es dann nicht nachvollziehen, dass ich seine Meinung einfach so akzeptiere.»

Sie selbst nimmt von Falkensteins Provokationen sportlich. «Es gab schon Tweets, da habe ich ihm geschrieben und gefragt, ob er schon weiss, dass er damit auch mich meint. Aber eigentlich ist es mir egal. Das ist sein politischer Stil, ich mache es halt anders.» Sowieso gehen die beiden mit ihren Meinungsunterschieden locker um. «Wir tauschen uns nicht extra über Themen aus, bei denen wir uns am Schluss eh nicht finden.»

Cancel-Orakel

Die Politik scheint sie eher zu verbinden: «Wir spielen zwar nicht für das gleiche Team, aber machen den gleichen Sport», sagt er. Und davon könnten sie auch profitieren.

«Der Austausch untereinander bereitet uns auch auf politische Auseinandersetzungen vor», so Feurer. «Ich weiss nicht, ob ich sonst im Grossen Rat so eng mit Leuten aus anderen Parteien zusammenarbeiten könnte.» Und von Falkenstein hat mit Feurer ein Cancel-Orakel. Wenn sie zum Beispiel einen Gastbeitrag von Benjamin gegenlese, könne sie meistens voraussagen, wann er dafür gecancelt wird, erzählt sie. Und er sich schon mal darauf vorbereiten.

Kim Rast (FDP) und Jonas Ineichen (SP)

Bei Kim Rast (24) und Jonas Ineichen (24) war es keine Liebe auf den ersten Blick. Als sie sich kennenlernten, waren sie beide im Jugendparlament – er als SPler, sie bei der FDP. «Gefallen hat sie mir zwar schon vom ersten Augenblick an», sagt er. «Aber am Anfang dachte ich: O Gott. Was hat denn die für Meinungen? Ich konnte nicht verstehen, wie ein junger Mensch so denken kann.»

So unwahrscheinlich das auch klingen mag: Wenn man Ineichen und Rast jetzt, sechs Jahre später, zuhört, scheinen ihre Meinungsverschiedenheiten kaum mehr eine Rolle zu spielen. Beide politisieren in der Gemeinde Emmen, wo sie zusammen wohnen.

Er ist für Frauenquoten, sie dagegen

Die beiden argumentieren vor allem eins: pragmatisch. Sie beziehen sich auf Zahlen, lassen sich gerne von Fakten überzeugen. Und sie mögen lösungsorientierte Politik: «Ich mag Menschen, die Probleme angehen wollen und nicht immer nur für sich selbst schauen. Das habe ich an Jonas immer bewundert. Mir ist egal, ob er das in der SP oder der FDP macht», sagt Rast.

Trotzdem kommt es in ihrer Beziehung manchmal zu ungewöhnlichen Diskussionen. Er argumentiert für die Frauenquoten, sie dagegen. «Ich will keine Quotenfrau sein. Ich will Kim sein, die eine Leistung vollbringt», sagt sie in ihrem gemeinsamen Podcast. Ineichen sieht das etwas anders: Er ist für die Frauenquote, wenn es das als letztes Mittel brauche, um Gleichstellung zu erreichen.

Immerhin nicht die GLP

Dass sie in der gleichen Partei politisieren, wünscht sich Rast aber nie. «Das wäre mega langweilig. Ich diskutiere gerne und mag es, wenn er mir Artikel schickt, die entgegen meiner Meinung sind. So lernt man voneinander.»

Und immerhin sei er ja nicht bei der GLP. Das sei zwar eher ein Running-Gag, aber mit der GLP haben sie immerhin einen gemeinsamen Feind: Sowohl der SP als auch der FDP nimmt die Partei Stimmen weg.

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