So richtig gut sieht es nicht aus. Die Corona-Zahlen steigen wieder – vergangene Woche wurde die 200er-Marke überschritten, sogar am Wochenende erreichten die täglichen Neuinfektionen dreistellige Zahlen. Und das Virus könnte sich bald noch schneller verbreiten. Denn mit dem Ende der Sommerferien kommen viele aus den Ferien zurück – auch aus Risikoländern. Pendler werden die Züge wieder füllen und Schülerinnen Pult an Pult im Klassenzimmer sitzen.
Umso wichtiger wäre es, die Infizierten zu finden – und zu wissen, wo sie sich angesteckt haben! Doch beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) scheint man derzeit keinen klaren Kopf zu haben. Zuerst behauptete das Amt fälschlicherweise, die meisten Menschen würden sich in Bars, Restaurants und Clubs anstecken. Zwei Tage später dann die kleinlaute Korrektur: Das Virus verbreite sich am einfachsten in der Familie und nicht im Nachtleben.
Dass man sich in der Familie schnell infiziert, überrascht allerdings nicht. Die grosse Frage ist: Wie gelangt das Virus dorthin? In 40 Prozent der Neuinfektionen weiss das BAG erst gar nicht, wo sich die Menschen angesteckt haben. Die Berner Epidemiologin Nicola Low, Mitglied der Corona-Taskforce, ist beunruhigt. «Kein identifizierbarer Ansteckungsort ausserhalb der Familie ist eine Warnung», schreibt sie auf Twitter. Das bedeute nämlich, die Übertragung des Virus sei nicht unter Kontrolle.
Das Virus in den Griff kriegen will man mit dem Contact Tracing. Seit dem Ende des Lockdowns spüren die Kantone wie Detektive den Ansteckungsketten nach. Nur: Die Daten gelangen gar nicht bis zum Bund! Erst Ende August soll es eine zentrale Datenbank beim BAG geben.
Vier Kantone ohne Daten
BLICK hat deshalb bei allen 26 Kantonen nachgefragt. Auch hier ist das Resultat erschütternd. Vier Kantone – Baselland, Graubünden, Wallis und Obwalden – erheben gar keine Zahlen zu den Ansteckungsorten. Zur Begründung schreibt etwa der Kanton Graubünden: «Da es sich bei vielen Fällen als schwierig erweist, eine genaue Ansteckungsquelle zu eruieren, führen wir keine zuverlässige Statistik.»
In Baselland haben die Corona-Detektive nur im Monat Juli den Ansteckungsort erfasst. Im Normalfall habe man für diese zeitintensive Arbeit allerdings zu wenig Personal, heisst es. Der Kanton Waadt wiederum erhebt zwar Daten zum Ansteckungsort, wertet diese aber nicht aus. «Dies hat für uns zurzeit keine Priorität», so die trockene Antwort des Gesundheitsdepartements.
Grosse Kantone tappen im Dunkeln
Düster präsentiert sich die Datenlage auch in Zürich, Bern und Aargau, die versuchen, die Virusherde zu finden. So sagen zwei Drittel der in den letzten beiden Juliwochen befragten Personen im Kanton Zürich, sie wüssten nicht, wo sie sich angesteckt haben. Unter den restlichen Personen ist der Hauptansteckungsort der «eigene Haushalt».
In Bern und im Aargau tappen die Behörden grösstenteils ebenfalls im Dunkeln: In 45 respektive 42 Prozent der Fälle ist unklar, wo sich die Menschen angesteckt haben.
Kleinere haben es einfacher
Selbst das als Contract-Tracing-Vorbild geltende Zug weist eine Dunkelziffer von 28 Prozent aus. Ähnlich unterwegs sind Glarus (31 Prozent), St. Gallen (25 Prozent) und Basel-Stadt (33 Prozent).
Kleineren Kantonen wie Solothurn (7 Prozent) oder Nidwalden (17 Prozent) fällt das Aufspüren aufgrund der tieferen Fallzahlen leichter. So schreibt das Nidwaldner Gesundheitsamt: «Seitdem wir den Ansteckungsort erfassen, konnten wir bei nur einer Person von insgesamt sechs Personen nicht herausfinden, wo sie sich angesteckt haben könnte.»
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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