Dieses Mal hatte sich die Gerichtskommission des Parlaments nicht in die Karten blicken lassen. Überraschend informierte sie gestern Abend, dass man – endlich – einen neuen Bundesanwalt gefunden hat. Dreimal war die Stelle schon ausgeschrieben worden. Von den rund ein Dutzend Bewerbern in der dritten Runde setzte sich am Ende der Berner Polizeikommandant Stefan Blättler (62) als Nachfolger von Michael Lauber (55) durch.
Eine Stunde vor der Öffentlichkeit hat er von seiner Wahlempfehlung erfahren. Bei einem «schönen Nachtessen» habe er daraufhin mit seiner Familie gefeiert, erzählt er im Gespräch mit Blick.
Herr Blättler, Sie wollen Bundesanwalt werden. Warum tun Sie sich das an?
Stefan Blättler: Für mich ist das nicht ein «Antun»! Ich freue mich – wenn ich denn gewählt werde – auf die Challenge. Aber ich bin ganz offen: Ich habe auch grössten Respekt vor dieser Herausforderung.
Die Stelle des Bundesanwalts ist extrem exponiert, die Erwartungen sind riesig. Ihre drei Vorgänger wurden entweder abgewählt oder traten unter Getöse ab. Da würde ich mir eine Bewerbung zweimal überlegen – mindestens.
Natürlich, so etwas überlegt man sich schon gut. Da sind einige Gespräche von Personen, die mir nahestehen, mit mir geführt worden. Es war keine einfache Entscheidung.
Haben Sie sich also nicht selbst gemeldet, sondern sind überredet worden?
Sagen wir es so: Ich wurde intensiv auf die Stelle aufmerksam gemacht. Am Schluss habe ich mir gesagt: Okay, ich probiere es. Ich bin ja schliesslich schon in fortgeschrittenem Alter, da geht es nicht mehr um einen Job, den ich ein Leben lang mache. Und mein beruflicher Werdegang zeigt, dass ich mit Herausforderungen umgehen kann.
Haben Sie sich nicht überlegt, sich zu bewerben, als die Stelle das erste Mal ausgeschrieben wurde?
Nein, überhaupt nicht. Ich hatte ganz andere berufliche Perspektiven: Auf 1. Januar 2022 hätte ich die Stelle als Direktor des Schweizerischen Polizei-Instituts angetreten. Aber wenn die Allgemeinheit das Gefühl hat, dass ich als Bundesanwalt mehr bewirken kann, dann würde ich das tun.
Warum sind Sie der Richtige?
Das müssen Sie diejenigen fragen, die mich zur Wahl vorschlagen.
Aber Sie müssen ja von sich selbst überzeugt sein!
Natürlich. In meinem Rucksack habe ich das eine oder andere, das es als Bundesanwalt braucht. Knifflige Führungssituationen kenne ich aus dem Alltag als Polizeikommandant. Schauen Sie zum Beispiel, was wir in Bern in den letzten Jahren geschafft haben: Über 30 Polizeikorps haben wir zu einem einzigen Polizeikorps zusammengeführt. Eine Arbeit, die fast völlig geräuschlos über die Bühne ging. Zudem war ich sechs Jahre Präsident der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten und stand damit an der Schnittstelle zwischen der Strafverfolgung durch die Kantone und dem Bund. Ich betrete also nicht nur Neuland.
Er war einst der oberste Polizist der Schweiz – nun soll Stefan Blättler (62) der höchste Ermittler des Landes werden. Der designierte Bundesanwalt ist seit 2006 Berner Polizeikommandant und präsidierte viele Jahre die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten. Der promovierte Jurist lehrt zudem Strassenverkehrsrecht und Kriminalistik an der Uni Bern. Blättler, dessen Vater einst Polizeichef in Nidwalden war, ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Köniz BE.
Er war einst der oberste Polizist der Schweiz – nun soll Stefan Blättler (62) der höchste Ermittler des Landes werden. Der designierte Bundesanwalt ist seit 2006 Berner Polizeikommandant und präsidierte viele Jahre die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten. Der promovierte Jurist lehrt zudem Strassenverkehrsrecht und Kriminalistik an der Uni Bern. Blättler, dessen Vater einst Polizeichef in Nidwalden war, ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Köniz BE.
Die Bundesanwaltschaft ist ein Sanierungsfall. Wie wollen Sie die Reputation der Bundesermittler wieder zurechtbiegen und Ruhe in die krisengeschüttelte Behörde bringen?
Da muss ich mich wehren: Die Bundesanwaltschaft ist kein Sanierungsfall! Schauen Sie sich doch an, was für Fälle in den vergangenen Monaten alle ans Bundesstrafgericht in Bellinzona gelangten. Da wurde kürzlich zum Beispiel ein Kriegsverbrecher zu einer happigen Strafe verurteilt. Nur stehen diese Fälle meist nicht so im Rampenlicht. Ich möchte, dass die Strafverfolgung des Bundes wieder als das wahrgenommen wird, was sie ist: eine gute und rechtsstaatliche Organisation.
Nach dem Lauber-Debakel steht die Organisation und Kontrolle der Bundesanwaltschaft generell zur Diskussion. Kritisiert wird die enorme Machtfülle des obersten Ermittlers. Wie stehen Sie dazu – als derjenige, der die Macht jetzt erben soll?
Im Moment möchte ich dazu keine Aussagen machen. Ich muss mich nun erst einmal mit den Optionen vertraut machen, die im Raum stehen. Ich kann nur sagen, dass die Aufgabe mit einem Haufen Verantwortung verbunden ist und ich sie mit grossem Respekt und der nötigen Sorgfalt angehen würde.
Sehen Sie sich als eine Zwischenlösung, bis das Parlament entschieden hat, wie es mit der Bundesanwaltschaft weitergeht?
Ja, das ist sicher zu einem gewissen Grad so. Meine Aufgabe würde sein, eine mögliche Neuorganisation zu begleiten. Aufgrund meines Alters kann ich den Job nicht mehr als fünf, sechs Jahre machen. Und das reicht auch.
Wann werden Sie das Amt antreten?
Das sind wir jetzt am Anschauen. Zuerst einmal ist für mich jetzt die Wahl der Bundesversammlung am 29. September entscheidend. Ich will den Entscheid des Parlaments nicht vorwegnehmen. Ich gehe aber davon aus, dass ich im Fall einer Wahl wohl am 1. Januar starten würde.