Konsequenzen des Bundesrats-Entscheids
Schweiz soll nicht länger mit Hamas-Helfern kuscheln

Das vom Bundesrat geplante Verbot der radikalislamischen Hamas wirft heikle Fragen auf. Beispielsweise die, ob man nicht auch mit den Hamas-Unterstützern brechen müsste. Doch die Schweiz hat finanzielle und diplomatische Interessen.
Publiziert: 13.10.2023 um 11:52 Uhr
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Aktualisiert: 13.10.2023 um 23:41 Uhr
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Die militante Hamas feuerte am Samstag Tausende Raketen auf Israel ab und feierte ihre Gräueltaten.
Foto: keystone-sda.ch
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Sermîn FakiPolitikchefin

Das Timing könnte nicht schlechter sein: Am Donnerstag empfängt der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (65) den Emir von Katar, Tamim bin Hamid al Thani (43). Wenige Tage nach dem brutalen Terrorangriff der Hamas auf Israel wird einem der Grossspender der Terroristen in Berlin der rote Teppich ausgerollt. Deutsche Medien titeln denn auch: «Scholz empfängt Top-Sponsor des Terrors».

Ähnliche Fragen stellen sich auch in der Schweiz. Zwar hat der Bundesrat am Mittwoch beschlossen, die radikalislamische Hamas als Terrororganisation zu verbieten – ein Schritt, den sowohl Vertreter Israels als auch Politiker aller Parteien gefordert hatten.

Doch mit deren Geldgebern, allen voran Katar und Iran, die jährlich Hunderte Millionen in den Gazastreifen und die Hamas pumpen, pflegt die Schweiz seit Jahrzehnten gute Beziehungen. Beim Iran fällt vor allem das Schutzmachtmandat für die USA ins Gewicht, bei Katar sind es handfeste wirtschaftliche Interessen der Schweiz.

«Schweiz muss klareren Umgang finden»

Würde ein Hamas-Verbot nicht auch bedeuten, zu deren Financiers auf Distanz zu gehen? Ja, findet Jonathan Kreutner (44), Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG). Die Hamas zu verbieten, sei ein erster Schritt. «Doch die Schweiz sollte auch ihre lasche Haltung zu Regimen wie dem Iran hinterfragen», fordert er. «Dessen krasse Menschenrechtsverletzungen und Antisemitismus werden von der Schweiz zu vorsichtig verurteilt. Die Schweiz muss einen klareren Umgang mit diesem Regime finden.»

Unterstützung findet Kreutner bei Hans-Peter Portmann (60), Vizepräsident der nationalrätlichen Aussenpolitischen Kommission. «Wir können nicht weiter mit Staaten wie Syrien, Libanon, Katar kutschieren, die diesen Terror finanzieren», sagt der Zürcher FDP-Nationalrat. Er hat diese Frage für die Kommissionssitzung vom Montag traktandieren lassen.

Portmann stellt Schutzmachtmandat infrage

Der FDP-Nationalrat findet, man müsse selbst das Schutzmachtmandat im Iran hinterfragen. «Wenn es nicht gelingt, das Mandat dazu einzusetzen, dass diese Terrorfinanzierung aufhört, sollten wir uns überlegen, das Schutzmachtmandat abzugeben.»

Ganz anders sieht das Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter (59). «Die Frage, wie man mit solchen Drittstaaten umgehen soll, kann man sich bei vielen Konflikten stellen.» Sanktionen oder Ähnliches lehnt die Baselbieter Mitte-Nationalrätin ab. Wichtiger scheint ihr, gegenüber dem Iran auch im Rahmen des Schutzmachtmandats die problematischen Finanzierungen immer wieder zu thematisieren. «Auch im Fall von Katar ist es zielführender, im Rahmen der diplomatischen und wirtschaftlichen Kontakte unsere Wertvorstellungen zu platzieren.»

Wirtschaftliche Interessen in Katar

Die Kontakte zu Katar sind «ausgezeichnet», wie der Schweizer Botschafter in Doha, Edgar Döring, vor einem Jahr sagte. Mit dem Golfstaat lassen sich denn auch lukrative Geschäfte machen.

  • Mit einem Handelsvolumen von 2,3 Milliarden Franken war Katar 2022 bereits der drittgrösste Handelspartner der Schweiz im Mittleren Osten.
  • 2022 wurden Gemälde im Wert von 600 Millionen Franken sowie Schmuck und Luxusuhren im Wert von knapp 800 Millionen Franken nach Katar exportiert.
  • Weitere Exportschlager sind Maschinen, Medikamente und Gold.
  • Katar ist auch der grösste Abnehmer von Schweizer Rüstungsgütern. 2022 wurden Waffen und Munition im Wert von 213,4 Millionen Franken in den Golfstaat exportiert.

Angesichts der ökonomischen Bedeutung Katars wundert es kaum, dass der ehemalige Finanzminister und vorherige Verteidigungsminister Ueli Maurer (72) besonders enge Beziehungen zu Katar pflegte. Mehrfach besuchte er den Staat, sogar seine letzte offizielle Reise führte nach Doha, wo er sich das Fussball-WM-Spiel Schweiz-Brasilien ansah.

Hilfe bei der Lex Koller

Doch auch die Katarer haben Interesse an Geschäften mit der Schweiz: Sie waren mit fünf Prozent in der Credit Suisse investiert und halten Anteile am Rohstoffgiganten Glencore. Und die Schweiz steht in Verhandlungen, um katarisches Flüssiggas zu kaufen. Eine weitere Branche, die die Katarer anzieht, ist der Tourismus: Schon vor Jahren kaufte der katarische Staatsfonds Luxushotels wie den Schweizerhof in Bern und das Bürgenstock-Resort am Vierwaldstättersee für insgesamt fast eine Milliarde Schweizer Franken.

Und auch hier half Maurer: Als die Katarer auf dem Bürgenstock ihre Appartements nicht vermieten konnten und daher an reiche Ausländer verkaufen wollten, soll sich Maurer persönlich dafür eingesetzt haben, dass es beim «Bürgenstock» eine Ausnahme von der Lex Koller gibt.

Im Iran ist die Wirtschaft (noch) nicht wichtig

Beim Iran sind die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz weniger bedeutend. Das Handelsvolumen betrug 2022 lediglich 163 Millionen Franken, was auch an den internationalen Sanktionen gegen das Mullah-Regime liegt. So ist es für ein Schweizer Unternehmen fast unmöglich, eine Bank zu finden, die bereit ist, mögliche Geschäftsaktivitäten in Verbindung mit dem Iran zu finanzieren.

Wichtiger ist der diplomatische Dialog. So hat die Schweiz beim Iran verschiedene Schutzmachtmandate inne. Als solche vertritt sie im Rahmen ihrer guten Dienste die Interessen fremder Staaten – etwa die des Irans in Ägypten und Kanada sowie die der USA im Iran. Ganz uneigennützig sind diese «guten Dienste» nicht. Das diplomatische Engagement der Schweiz soll zu mehr Stabilität im Nahen Osten führen. Doch der Bund erhofft sich auch privilegierte Zugänge zu verschiedenen Regierungen, die sich eines Tages auszahlen könnten.

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