Der Bund hinkt hinterher
Innerrhoden lässt nicht urteilsfähige Personen wählen

Der Kanton Appenzell Innerrhoden tat sich lange schwer mit dem Frauenstimmrecht. Bei der politischen Teilhabe von Menschen mit geistiger Behinderung ist er aber seit Sonntag vorne dabei.
Publiziert: 28.04.2024 um 18:07 Uhr
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An einer der nächsten Landsgemeinde dürfen bald auch urteilsunfähige Menschen mitbestimmten.
Foto: keystone-sda.ch
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Der Kanton Appenzell Innerrhoden musste schon viel Spott ertragen. Als letzter Kanton führte er das Frauenstimmrecht ein. An der Landsgemeinde 2024 zeigt sich der Kanton nun fortschrittlich. Nicht nur, weil er nach 152 Jahren einer Totalrevision der Verfassung zustimmt.

Wenn die neue Verfassung in Kraft tritt, wird das Stimmrecht auf nicht urteilsfähige Personen ausgeweitet. Darunter fallen etwa Menschen mit einem Beistand. Damit wird er zum Vorreiterkanton. Der Kanton Genf hat bereits 2020 eine ähnliche Regel eingeführt, in einzelnen Kantonen können Einzelfälle geprüft werden, wieder andere arbeiten an einer Gesetzesänderung. Im Kanton Appenzell Innerrhoden dürften rund 30 Personen von der neuen Regel profitieren.

Schweiz verletzt UN-Konvention

Für Jan Habegger von insieme Schweiz, dem Dachverband für und mit Menschen mit geistiger Behinderung, ist ein wichtiges Zeichen, «damit alle Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen können.»

Doch jetzt müsse es weitergehen. «Noch immer dürfen rund 14'000 Menschen in der ganzen Schweiz nicht mitbestimmen. Das geht nicht.» In einzelnen Kantonen laufen zwar Bestrebungen, doch auch auf Bundesebene dürfen noch nicht alle mitentscheiden. «Die Schweiz verstösst somit gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, die sie unterzeichnet hat.»

«Es darf keine neuen Diskriminierungen geben»

Mitte-Gesellschaftspolitiker Christian Lohr (62) hofft, dass der Entscheid aus dem Innerrhoden einen Dominoeffekt auf andere Kantone hat. Bis das Stimm- und Wahlrecht für alle auf Bundesebene kommt, dürfte es aber noch dauern.

Es brauche eine breite Sensibilisierung für das Thema und einen genauen Prozess, so Lohr. «Es darf keine neuen Diskriminierungen geben.» Der Bundesrat müsse Massnahmen prüfen, damit «alle Menschen politisch ernst genommen werden».

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