«Für mich persönlich ist das heute ein Meilenstein»
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Lohr zur Behindertensession:«Für mich persönlich ist das heute ein Meilenstein»

Erste Behindertensession findet am Freitag in Bern statt
Wo sich die Schweiz eine Scheibe von Neuseeland abschneiden kann

Am 24. März treffen sich in Bundeshaus 44 Menschen mit Behinderung, um für mehr Teilhabe in Politik und Gesellschaft zu kämpfen. Dass hierzulande noch viel Luft nach oben ist, zeigt ein Blick nach Neuseeland.
Publiziert: 24.03.2023 um 00:41 Uhr
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Aktualisiert: 24.03.2023 um 07:31 Uhr
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2014 ratifizierte die Schweiz die UN-Behindertenrechtskonvention. Doch mit der Umsetzung hapert es.
Foto: Keystone
Dominique Schlund

Wo steht die Schweiz in der Behindertenpolitik? Markus Schefer (58) beginnt beim Positiven: Beim öffentlichen Verkehr stehe die Schweiz im internationalen Vergleich vergleichsweise gut da, sagt der bekannte Jus-Professor und Mitglied des Uno-Ausschusses für Rechte von Menschen mit Behinderungen. Grund dafür ist aber unser allgemein hohe ÖV-Ausbaustandard. Beim Ausbau der barrierefreien Bahnhöfe hingegen hinken die SBB eher hinterher.

So wie generell die Schweiz in der Behindertenpolitik. «Man ist bei weitem nicht so weit, wie man sein sollte», sagt Schefer. Die Schweiz hat 2014 zwar die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert. Doch mit der Umsetzung hapert es.

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Vorreiter Neuseeland

Diesen Freitag sollen 44 Menschen mit Behinderungen dafür sorgen, dass sich das ändert. Sie kommen auf Einladung von Nationalratspräsident Martin Candinas (42) zur Behindertensession im Bundeshaus. 44 Menschen sind 22 Prozent des Nationalrats – genau jener Prozentsatz, den Behinderte gemessen an der Gesamtbevölkerung ausmachen.

Ein Land, das der Schweiz weit voraus ist, ist Neuseeland. Dort wurde 2006 ein Gesetz verabschiedet, das es verbietet, Menschen mit Behinderung in Heimen unterzubringen. Seitdem wurden alle Heime für Menschen mit Behinderung geschlossen und durch Einrichtungen mit maximal fünf Bewohnern ersetzt. So soll die Integration in die Gesellschaft besser gelingen.

Vergleiche mit Tücken

Eine solche Regelung wünscht sich Markus Schefer auch für die Schweiz. Des Weiteren nimmt er die Kantone in die Pflicht. «Solche Probleme müssen in enger Zusammenarbeit mit den Bürgern und der Gesellschaft gelöst werden. Zudem ist es wichtig, dass mehr von den Kantonen kommt», sagt er.

Schefer weist jedoch darauf hin, dass es sehr schwierig sei, die Umsetzung der Behindertenkonvention in den verschiedenen Ländern zu vergleichen. Einerseits, weil sich Definitionen und Gesetze von Land zu Land unterscheiden. Andererseits, weil Politik für Menschen mit Behinderung oft nicht auf der obersten staatlichen Ebene umgesetzt wird. Wie gross die Unterschiede sind, zeigt der Umgang mit umfassenden Beistandschaften.

Grosse kantonale Unterschiede

Darunter versteht man die komplette Entmündigung einer Person aufgrund einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung. Dies bedeutet, dass der Person ein Grossteil der persönlichen Rechte abgesprochen werden und ein Beistand praktisch alles entscheidet.

Während in der Deutschschweiz in gewissen Kantone niemand mehr unter umfassenden Beistand gestellt wird, ist dies in der Romandie nach wie vor üblich. So lebten von den rund 14'000 Personen, welche schweizweit unter umfassendem Beistand standen, 9827 in den Kantonen Genf, Neuenburg, Wallis, Waadt, Freiburg und dem Tessin. Das entspricht rund 70 Prozent aller Beistandschaften, obwohl die Romandie nur einen Drittel der Schweizer Bevölkerung stellt.


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