Der Abgang von Grüne-Präsident Balthasar Glättli
Politik fürs Klima statt für die Menschen

Der Parteichef zieht die Konsequenzen aus der Wahlschlappe der Grünen. Balthasar Glättli geht, aber die Probleme bleiben. Es braucht nun eine neue Spitze, die die Ökopartei möglichst rasch in ruhigeres Fahrwasser und näher zu den Menschen hin bringt.
Publiziert: 14.11.2023 um 16:56 Uhr
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Aktualisiert: 14.11.2023 um 16:58 Uhr
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Grünen-Chef Balthasar Glättli stellt sich im Frühjahr nicht mehr zur Wiederwahl als Parteichef.
Foto: Philippe Rossier
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Pascal TischhauserStv. Politikchef

Auch das hat nicht geklappt: Balthasar Glättli (51) wollte seinen Rücktritt erst nach den Bundesratswahlen bekannt geben, aber schon sickerte durch, dass er als Grünen-Präsident von Bord geht.

Die Meldung kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Am Sonntag wurde Hoffnungsträgerin Lisa Mazzone (35) abgewählt, die Partei sackte im Nationalrat um fünf Sitze ab und musste im Stöckli neben Mazzones Sitz noch einen weiteren abgeben. Zudem sah sich Bastien Girod (42) genötigt, beim Klimaschutzunternehmen South Pole das Handtuch zu werfen. Und auch finanziell kommen nach dem Verlust von sieben Parlamentssitzen anspruchsvolle Zeiten auf die Fraktion zu. Die Grünen sind in ein gefährliches Fahrwasser geraten.

Anzahl Bundesräte: null!

Dabei erreichten sie bei den Wahlen eben noch ihr zweitbestes Ergebnis der Geschichte. Sie weisen noch immer einen Wähleranteil von fast 10 Prozent auf. Und im Gegensatz zu den Grünliberalen brauchen sie nicht Angst zu haben, überhaupt nicht im Ständerat vertreten zu sein. Doch all das nimmt niemand zur Kenntnis.

Glättli sagt, er sei das Gesicht der Niederlage der Grünen. Sie hätten es verdient, mit einem neuen Gesicht in einen neuen Aufschwung zu starten. Nur: Dieses Gesicht lässt fünf Monate lang auf sich warten. Erst Anfang April soll das neue Präsidium kommen.

Die Bundesratskandidatur von Gerhard Andrey (47) hilft auch nicht, um das Ruder herumzureissen. Viel eher zeichnet sich da das nächste Debakel ab. Der Kandidat der Ökopartei wird am 13. Dezember wohl nur im ersten Wahlgang an die 60 Stimmen machen und danach über die Stimmenzahl der eigenen Fraktionsmitglieder kaum mehr herauskommen. Während die SP an diesem Tag ihr neues Bundesratsmitglied feiern wird, verkommen die Grünen zu einer Fussnote. Anzahl Bundesratsmitglieder: weiterhin null!

Gefangen in der Klimablase

Das liegt nicht am Kandidaten. Es ist schlicht der falsche Zeitpunkt für eine Kandidatur. Vor allem aber leidet die Partei darunter, in den vergangenen vier Jahren zu monothematisch agiert zu haben, wie Glättli auf Radio SRF anklingen liess. Während Durchschnittsfamilien unter immer noch höheren Krankenkassenprämien, Energiekosten, Lebensmittelpreisen und Mieten ächzen, kümmern sich die Grünen ums Klima, statt um die Menschen.

Natürlich sind wirksame Massnahmen gegen die Klimaerwärmung zentral. Natürlich geht es da auch um die Menschen, aber das haben auch andere Parteien erkannt. Während sich die SP, zu welcher viele grüne Wählerinnen und Wähler abgewandert sind, an die Seite der Bürgerinnen und Bürger gestellt hat, politisierte die Ökopartei in ihrer Klimablase. 

Schon vor den Wahlen ist es um Glättli still geworden. Mehr und mehr hat sich Fraktionschefin Aline Trede (40) in den Vordergrund gedrängt. Innerhalb des Bundeshauses heisst es zwar aus allen Parteien, man könne gut mit ihr, doch bei der Bevölkerung stösst sie mit oft wolkigen Ideen auf wenig Verständnis. Geschadet hat den Grünen auch, dass sie nicht klipp und klar sagten, sie teilten zwar die Ziele der Klimakleber, aber keineswegs deren Methoden.

Es braucht Bodenhaftung

Der Partei täte jemand bodenständiges an der Spitze gut. Jemand, der einerseits die eigene Wählerschaft mitziehen kann, aber andererseits auch neue Anhänger zu überzeugen vermag. Die St. Galler Nationalrätin Franziska Ryser (32) könnte so jemand sein. Oder der Glarner Ständerat Mathias Zopfi (39).

Derzeit sprechen sich viele Grüne für eine Doppelspitze aus. Schliesslich sind Co-Präsidien bei den Linken in. Nicht immer die beste Lösung, wie das einstige Duo Adèle Thorens (51) und Regula Rytz (61) zeigte. Faktisch hatten die Grünen damals zwei Präsidentinnen, eine für die Westschweiz und eine für die Deutschschweiz. Das stärkte den parteiinternen Zusammenhalt nicht.

Angesichts der hauchdünnen Personaldecke der Grünen sind Überlegungen zu einer Co-Spitze dennoch nachvollziehbar: Wer will denn schon sieben Tage die Woche von frühmorgens bis spätabends alleiniger Präsident einer Partei im Abschwung sein?

Doch ob sich die Grünen nun eine Doppelspitze geben oder nicht: sich derart viel Zeit zu lassen ist gefährlich. Es braucht so rasch wie möglich jemanden, der die Partei aus dem Gegenwind nimmt.

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