Der Bundesrat hat den Kantonen neue Verschärfungsmassnahmen in die Konsultation gegeben. Zu den Details wollten sich SP-Gesundheitsminister Alain Berset (48) und der Basler Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger (45) als Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren-Konferenz an der Medienkonferenz vom Montag nicht genauer äussern.
Die neuen Verordnungsentwürfe liegen BLICK aber vor. Es handelt sich dabei um drei Varianten mit unterschiedlichen «Massnahmenverschärfungen». Je nach Entwicklung der Corona-Situation sollen unterschiedlich harte Massnahmenpakete in Kraft treten. Berset will sich dabei nicht auf ein «rigides Ampelsystem» abstützten, wie es im erläuternden Bericht dazu heisst, sondern die epidemische Situation «anhand einer Kombination von Kriterien» evaluieren. Hierfür würden sich vor allem die effektive Reproduktionszahl, die 14-Tages-Inzidenz, die Positivitätsrate und die Auslastung der betriebenen Intensivpflege-Betten eignen.
Restaurants werden zuerst geschlossen
Im Bericht verweist er auf drei Massnahmenpakete, die je nach Entwicklung zum Zug kommen sollen:
Massnahmenpaket I:
- Gastronomiebetriebe werden geschlossen, nur noch Take-away-Angebote und Lieferdienste bleiben gestattet. Es werden keine Ausnahmen für Festtage (wie zum Beispiel Weihnachten, Silvester) gewährt. In Betriebskantinen muss der in der Gastronomie erforderliche Abstand pro Person gewährleistet sein. Ausgenommen von dieser Regelung sind Schulkantinen in obligatorischen Schulen sowie die Restauration für Hotelgäste.
- Freizeit- und Sportbetriebe inklusive Fitnesszentren und Sporteinrichtungen werden geschlossen. Einzige Ausnahme hierfür sind Campingplätze für Dauerbesucher. Zusätzlich werden alle ausserschulischen Aktivitäten untersagt. Alle Einzel- und Gruppentrainings in Innenräumen sind untersagt. Einzelsportarten, die draussen ausgeführt werden (wie Joggen, Radfahren etc.) sowie Gruppentrainings bis maximal 5 Personen draussen bleiben gestattet. Wettkämpfe im Leistungssport finden nur unter Ausschluss von Zuschauern statt.
- Kultur-, Freizeit- und Unterhaltungseinrichtungen wie zum Beispiel Museen, Galerien, Kinos, Bibliotheken, botanische Gärten, Zoos, Casinos, Spielhallen etc. werden geschlossen. Aktivitäten im Kulturbereich (inkl. schulische Aktivitäten) werden untersagt. Veranstaltungen im professionellen Bereich mit Publikum werden verboten. Alternative Veranstaltungsformen (wie zum Beispiel online übertragene Veranstaltungen) bleiben gestattet.
Massnahmenpaket II (zusätzlich zu Paket I):
- Die Kapazitätsbeschränkungen für Einkaufsläden werden stark erhöht. Die maximale Personenzahl ist dabei abhängig von der Quadratmeterzahl – kleine Läden dürfen maximal drei Kunden hereinlassen. Oder grosse Läden mit über 1500 Quadratmetern können pro 20 Quadratmeter einen Kunden begrüssen, mindestens aber 100 Leute. Einkaufsläden und Märkte werden an den Wochenenden aber geschlossen.
- Besonders gefährdete Personen sollten spezifisch geschützt werden, ohne sie zu diskriminieren. Dazu wird wie im Frühjahr 2020 das Recht auf Homeoffice bzw. ein gleichwertiger Schutz am Arbeitsplatz oder eine Beurlaubung für besonders gefährdete Personen eingeführt. Auch spezifische Kommunikationsmassnahmen und Empfehlungen können genutzt werden.
- Analog zu den Empfehlungen in der Osterzeit 2020 wird die Bevölkerung noch einmal explizit dazu aufgefordert, zu Hause zu bleiben, ihre sozialen Kontakte auf ein Minimum zu beschränken, auf nicht notwendige Reisen und auf Ausflüge im In- und Ausland zu verzichten.
Massnahmenpaket III (zusätzlich zu Paket I und II):
- Einkaufsläden und Märkte werden geschlossen, «Click and Collect»-Modelle bleiben gestattet.
Variante 1: Ausnahmen hierfür sind Geschäfte, deren Umsatz zu mindestens zwei Dritteln aus Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs resultiert. Das Sonntagsverkaufsverbot wird für diese Geschäfte aufgehoben.
Variante 2: Ausnahme hierfür ist ausschliesslich der Verkauf von Gütern des täglichen Bedarfs (Definition anhand von in Österreich verwendeten Listen). Geschäfte, die auch Produkte anbieten, die nicht auf dieser Liste aufgeführt sind, müssen die entsprechenden Regale abdecken. Das Sonntagsverkaufsverbot wird für diese Geschäfte aufgehoben. - Private Veranstaltungen dürfen mit maximal 10 Personen aus 2 Haushalten durchgeführt werden.
- Im öffentlichen Raum dürfen sich nur noch maximal 10 Personen treffen.
Skigebiete nicht aus dem Schneider
Ausgenommen von den Verschärfungen wären weiterhin personenbezogene und medizinische Dienstleistungen wie zum Beispiel Coiffeure, Tattoo-Studios, Erotikbetriebe sowie medizinische Dienstleistungen wie etwa Physiotherapie. Solche Dienstleistungen bleiben weiterhin mit entsprechenden Schutzkonzepten gestattet.
Die Schliessung der Skigebiete ist ebenfalls nicht Teil dieser Massnahmenpakete. Es bleibt Aufgabe der Kantone, Schutzkonzepte nur dann zu bewilligen, wenn die detaillierten Vorgaben in der Verordnung sichergestellt sind. Allerdings hält Berset explizit fest, dass je nach Entwicklung «auch die Schliessung von Skigebieten durch den Bundesrat geprüft werden muss». Das hänge auch von den Erfahrungen über die Festtage ab, droht Berset den Skifahrern. Zudem sei es schwierig erklärbar, «dass die Skigebiete trotz Ladenschliessungen weiterhin offenbleiben sollten».
Bundesrat soll am 28. Dezember entscheiden
Allerdings will der Bundesrat noch nicht diesen Freitag entscheiden, ob das erste Massnahmenpaket schon nötig wird, heisst es im Zusatzbericht. Das sei «etwas zu früh», da die Wirkung der jüngsten Massnahmen noch nicht ersichtlich sei. «Dennoch wird der Bundesrat die aktuellsten Daten analysieren und eine Beurteilung vornehmen, ob unmittelbarer Handlungsbedarf besteht», heisst es. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der aktuelle R-Wert «rasch und stark steigen sollte». Verdopplungszeiten von zwei Wochen und weniger wären eine zusätzliche Beschleunigung, die einen vertieften Diskussionsbedarf auslösen würden.
Für eine nächste vertiefte Beurteilung der epidemiologischen Situation schlägt Gesundheitsminister Berset den 28. Dezember vor. Dann soll der Bundesrat aufgrund der Kriterien entscheiden, ob und welches Massnahmenpaket in Kraft gesetzt werden muss.
Bersets Vorschlag:
- Liegt der R-Wert während drei Tagen über 1 oder steigt die Intensivbetten-Auslastung über 80 Prozent, dann soll das erste Massnahmenpaket umgesetzt werden – das wäre eigentlich schon heute der Fall.
- Liegt der R-Wert während drei Tagen über 1,1 – was einer Verdoppelung innert eines Monats gleichkommt oder steigt die Intensivbetten-Auslastung auf über 85 Prozent, wird über das zweite Massnahmenpaket diskutiert.
- Und schliesslich: Bei einem R-Wert über 1,2 – was eine Verdoppelung alle 7 Tage bedeutet – oder einer Intensivbetten-Auslastung von über 90 Prozent, tritt die dritte Stufe in Kraft.
Werden diese Werte nicht überschritten, will Berset die Lage am 5. Januar 2021 nochmals sondieren. Dann liegt die Messlatte allerdings etwas tiefer, um die Massnahmenpakete auszulösen, nämlich:
- Liegt der R-Wert während drei Tagen über 0,9 – was eine Halbierung innert eines Monats bedeutet oder steigt die Intensivbetten-Auslastung über 80 Prozent, dann soll das erste Massnahmenpaket umgesetzt werden.
- Liegt der R-Wert während drei Tagen über 1 – was in etwa einer Stagnation gleichkommt – oder steigt die Intensivbetten-Auslastung auf über 85 Prozent, wird über das zweite Massnahmenpaket diskutiert.
- Und schliesslich: Bei einem R-Wert über 1,2 oder einer Intensivbetten-Auslastung von über 90 Prozent, kommt die dritte Stufe zum Zug.
Am liebsten wäre es dem Bundesrat, bis dahin einen R-Wert von unter 0,8 zu erreichen, damit die Fallzahlen «wieder klar sinken». Auch die Positivitätsrate und der 14-Tage-Inzidenz-Wert müssten bis dahin sinken, hofft Berset.
Noch schärfere Massnahmen in Kantonen
Sollten sich die epidemiologische Lage bis zu den Stichtagen also verschlechtern, «müssen Massnahmen geprüft werden, die in der Lage sind, die epidemische Situation rasch und substanziell zu beruhigen, eine Abnahme der Fallzahlen einzuleiten und einen Kollaps des Gesundheitssystems sowie weitere schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern».
Gleichzeitig betont Berset, dass die Kantone aufbauend auf diesem «Basismassnahmenpaket» weiterhin weiterführende Massnahmen anordnen sollen, falls dies die lokale epidemische Situation erfordere.
Kommen Schulschliessungen auf den Tisch?
Welche Zusatzmassnahmen zu den drei Paketen noch weiter infrage kommen, lässt Berset vorerst unbeantwortet. Im schlimmsten Fall könnten aber auch Schulschliessungen wieder zum Thema werden. Der Bundesrat und die Kantone möchten solche zwar möglichst verhindern.
Doch in einer Einschätzung der wissenschaftlichen Taskforce nennt deren Chef Martin Ackermann als «mögliche zusätzliche Massnahme, wenn eine Reduktion der Infektionen nicht gelingt und eine unmittelbare Kapazitätsüberschreitung des Gesundheitssystems droht: Suspendierung des Präsenz-Unterrichts in obligatorischen Schulen».
Die bereits heute geltenden Massnahmen sollen auf jeden Fall bis am 22. Januar 2021 in Kraft bleiben. Am 20. Januar will er über eine allfällige Verlängerung entscheiden. In der ersten Januar-Hälfte will der Bundesrat zudem «einen Plan für das weitere Vorgehen bis zum Frühling 2021 in einem Winter-Massnahmenpaket vorlegen».