«Ich bin schon ausgestiegen»
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Bäumle zur Corona-Schleuder:«Ich bin schon ausgestiegen»

Das sagt GLP-Nationalrat Bäumle zum Aerosol-Check im SBB-Dosto
«Ich bin schon ausgestiegen»

Aerosole sind unsichtbare Partikel in der Luft – Partikel, die auch Viren beinhalten können, wenn jemand Infiziertes im Raum war. Blick ist mit einem Messgerät durch die Schweiz gereist. Und hat festgestellt: Am dicksten ist die Luft im SBB-Doppelstöcker Dosto.
Publiziert: 14.08.2021 um 01:44 Uhr
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Aktualisiert: 16.08.2021 um 11:07 Uhr
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GLP-Nationalrat Martin Bäumle moniert bereits seit längerem, dass die Übertragung über Aerosole zu lange unterschätzt wurde.
Foto: Keystone
Gianna Blum und Pascal Scheiber

Sie schweben unsichtbar in der Luft – und das stundenlang: Aeorosole. In den winzig kleinen Partikeln können auch Coronaviren stecken und damit für Infektionen sorgen, selbst dann, wenn die kranke Person den Raum längst verlassen hat. Inzwischen gelten Aerosole aber als einer der wichtigsten Übertragungsherde, mindestens so wichtig wie die Tröpfcheninfektion, die passieren können, wenn jemand hustet oder niest.

Blick wollte es genauer wissen – und hat die Probe aufs Exempel gemacht. Ausgerüstet mit einem CO₂-Messgerät war Blick an einer Schule, hat Clubs besucht und den öffentlichen Verkehr benützt. Vielerorts waren die gemessenen Werte unbedenklich. Im Coop in Zürich-Stadelhofen oder in der Unterführung, aber auch im Postauto oder der S-Bahn oder in einer Drogerie lagen die Messwerte im grünen Bereich. Die mit Abstand höchsten Werte gab es im Zug – genauer im SBB-Doppelstöcker Dosto FV.

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Höchster Wert im Bombardier-Zug

Der Dosto-Doppelstöcker von Bombardier ist immer wieder wegen Pannen in den Schlagzeilen. Vielen wird im Wackelzug auch übel. Und offensichtlich kommt nun noch schlechte Luft dazu: Im halb vollen 2.-Klasse-Abteil mass Blick CO₂-Werte von über 3400 Teilchen pro Million – höhere Werte als auf der vollen Tanzfläche eines Clubs oder in einem Klassenzimmer. Auch im Bord-Restaurant und der 1. Klasse lagen die Messungen über dem Grenzwert von 2000 Teilchen pro Million.

Aeorosole sind eines der Lieblingsthemen von Atmosphärenwissenschaftler und GLP-Nationalrat Martin Bäumle (57), der seit längerem auf das Übertragungsrisiko hinweist. Sein CO₂-Messgerät, das er auch selbst vertreibt, hat er fast immer dabei – auch im Parlament. «Denn der CO₂-Wert ist einfacher und billiger zu messen als ein Virus.» In geschlossenen Räumen steigen diese Werte mit der Zeit, abhängig von der Anzahl Personen im Raum unterschiedlich schnell. Hohe CO₂-Werte und damit eine hohe Aerosol-Konzentration sind nicht nur wegen des Übertragungsrisikos wichtig: Ab einem Wert von 2000 Teilchen pro Million etwa beginnen auch körperliche Beschwerden wie Müdigkeit oder Kopfschmerzen. Abhilfe schafft Lüften.

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Gefährliche Plauderis im Restaurant

Dass die Luft im Dosto schlecht ist, ist auch Bäumle bereits aufgefallen. «Ich bin schon aus einem Zug ausgestiegen, wenn die Werte zu hoch waren», sagt er. Bäumle hält aber fest, dass das Problem nicht in allen Dosto-Doppelstöckern bestehe, so schlechte Werte habe er selbst nur vereinzelt gemessen. «Ich vermute, dass die SBB noch nicht überall die Filter richtig eingestellt haben.»

Auch Michael Riediker, Aerosol-Experte und Direktor des Schweizerischen Zentrums für Arbeits- und Umweltgesundheit (SCOEH), beurteilt die Dosto-Werte als zu hoch. «Da müssen die SBB nachjustieren und den Aussenluftanteil erhöhen», kritisiert er.

Ein Superspreader-Zug ist der Dosto vermutlich trotzdem nicht. Solange die Passagiere und Passagierinnen sässen, Maske trügen und wenig reden würden, sei die Corona-Ansteckungsgefahr trotz hoher Aerosol-Konzentration gering. «Dies, weil die meiste Luft im Zug rezirkuliert wird: Dabei bleiben die meisten Viren im Filter hängen, auch wenn es wenig Aussenluftzufuhr hat.» Ungeachtet des Corona-Risikos bleibe es aber schlechte Luft. «Das kann bei langen Fahrten zu Müdigkeit, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen führen.»

Ungleich höher sei das Ansteckungsrisiko aber im Zugrestaurant. Denn wo mehr geredet und keine Maske getragen werde, steige auch die Aerosol-Konzentration. Wenn da jemand Infiziertes mitreise, sei das Ansteckungsrisiko schon relativ hoch, hält Riediker fest.

SBB lassen Luftqualität prüfen

Die SBB haben wegen der Blick-Recherchen eigene Messungen in ihren Dostos durchgeführt, wie Sprecherin Jeannine Egi sagt. «Bis auf einen Ausreisser von wenigen Minuten» seien aber keine Werte über 1300 Teilchen pro Million gemessen worden. «Die Luft im Wageninnern wird im Schnitt sechs bis zehnmal pro Stunde komplett mit Frischluft erneuert», sagt Egi – und die gemessenen Werte seien «in keiner Weise gesundheitsgefährdend».

Trotzdem wollen die SBB nun über die Bücher, denn die Luftqualität sei ein sehr wichtiges Thema. «Die SBB werden die gemessenen Werte nun noch durch ein akkreditiertes Verfahren verifizieren», kündigt Egi an, durchgeführt würden die neuen Messungen von einer unabhängigen Prüfstelle. «Falls nötig, werden die SBB zusätzliche Massnahmen umsetzen.»

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Club mit höherem Risiko

Neben dem Dosto hat Blick auch in einem Club und in einem Schulzimmer hohe CO₂-Werte gemessen – wenn auch nirgends so hohe wie im Doppelstöcker. Das Ansteckungsrisiko ist laut Aerosol-Experte in einem Club aber trotzdem höher als im Zug. Auch wenn man in einen Club derzeit nur mit Covid-Zertifikat kommt.

Denn es kommt auch darauf an, wie viele Menschen in einem Raum sind, wie lange sie sich aufhalten und vor allem auch, was sie tun: «Da tanzt man ohne Masken, spricht laut, und es gibt weniger Luftwechsel», so Riediker. Eine einzige Person im Club, die Viren weitergebe, reiche da schon. «Innert neun Minuten werden so 300 Viren eingeatmet – das reicht auch bei gesunden, jungen Menschen schon für eine Ansteckung.»

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