Covid-19-Geimpfte können das Coronavirus genauso häufig verbreiten wie Ungeimpfte. Darauf verwies Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), am Dienstag an der Corona-Pressekonferenz. Sie bezog sich dabei auf Daten, die die US-amerikanische Seuchenschutzbehörde (CDC) herausgegeben hatte.
Diese geben den Impfskeptikern Aufwind: Denn warum piksen lassen, wenn es gar nichts nützt gegen jene Variante, die in der Schweiz dominant ist? So einfach ist es aber nicht. Blick hat sich die Studie genau angeschaut.
Woher stammen die Daten?
Die CDC bezieht sich auf eine Studie aus dem Ferienort Provincetown im US-Bundesstaat Massachusetts. Dort war es im Juli zu einem Corona-Ausbruch gekommen. Insgesamt wurden 469 Fälle identifiziert, die sich auf die Feierlichkeiten anlässlich des 4. Juli – des Nationalfeiertags der Vereinigten Staaten – zurückführen liessen.
Was ist so besonders daran?
Interessant – und beunruhigend – ist, dass drei Viertel der Infizierten vollständig geimpft waren. Ein Grossteil von diesen entwickelte Symptome der Krankheit, vier mussten gar ins Spital eingeliefert werden, Todesfälle gab es keine. 90 Prozent von ihnen waren mit der Delta-Variante infiziert.
Ausserdem stellte man fest, dass die Viruslast – also die Anzahl der Viren in den Schleimhäuten der Infizierten – bei Geimpften und Ungeimpften gleich gross war. Das würde für eine gleiche Ansteckungskraft sprechen.
Ist das bei Delta anders als bei anderen Varianten?
Ja. Bislang deuteten Studien darauf hin, dass die Viruslast bei Personen, die trotz Impfung infiziert werden, stark reduziert ist und sich auch die Zeit, in der sie Viren ausscheiden – etwa über Tröpfchen oder Aerosole beim Sprechen – verkürzt ist. Das vermindert das Risiko, das von Geimpften ausgeht.
Heisst das also, dass die Impfung gegen die Delta-Variante nichts nützt?
Nein, das heisst es nicht. Aus mehreren Gründen:
- Erstens weisen die Studienautoren selbst darauf hin, dass die Daten aus diesem Bericht nicht ausreichen, um Schlussfolgerungen über die Wirksamkeit der Impfung gegen das Virus, einschliesslich der Delta-Variante, zu ziehen.
- Zweitens macht die Studie keine Angaben darüber, wie der Krankheitsverlauf bei den Ungeimpften war. Bekannt ist lediglich, dass eine ungeimpfte Person hospitalisiert werden musste.
- Drittens wird die Methodik von anderen Wissenschaftlern kritisiert: Das Mass, mit dem die Forscher die Viruslast gemessen hätten, sei schlicht zu grob, um fundierte Aussagen zu machen. So könnte es sein, dass die Viruslast bei Delta nicht bedeute, dass man wirklich ansteckender ist.
- Viertens kamen andere Studien, wie etwa aus Singapur, zum Schluss, dass die Delta-Viruslast im Rachen von Geimpften schneller abnehme als bei Ungeimpften.
Wie ansteckend Geimpfte sind, kann man also noch nicht genau sagen.
Die CDC selbst hat angekündigt, weitere und grössere Studien zu machen. Sie hat denn auch bereits erste Zahlen nachgeliefert. Diese zeigen laut «NZZ», dass das Risiko einer Infektion dank der Impfung achtmal kleiner ist als ohne, das eines schweren Verlaufs ist sogar 25 Mal geringer.
Dennoch empfiehlt die CDC mittlerweile auch bei Geimpften, in bestimmten Situationen – etwa mit vielen Menschen in Innenräumen – sich an die Distanzempfehlungen zu halten und Maske zu tragen.
Impfung wird weiter empfohlen
Darüber hinaus empfehlen sämtliche Gesundheitsbehörden – gestützt auf grosse Studien, etwa aus den Zulassungsverfahren der Impfhersteller –, sich piksen zu lassen. Das Risiko, schwer zu erkranken, werde dadurch reduziert.
Gemäss BAG wurden von Ende Januar bis Ende Juli in der Schweiz nur 379 Geimpfte trotzdem positiv getestet. (sf)