Nun ist es doch noch passiert. Die federführende Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK) versenkt die umstrittene Revision des Zollgesetzes – zurück an den Absender ins Finanzdepartement! FDP-Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59) muss nun die Suppe auslöffeln, die ihr von SVP-Vorgänger Ueli Maurer (72) eingebrockt worden ist. Das war schon beim Credit-Suisse-Untergang ähnlich.
Die Gesetzesrevision stand bereits mehrfach auf der Kippe. Im April hatte die WAK den Todesstoss noch verhindert und sich für die Detailberatung des Geschäfts ausgesprochen – trotz grosser Bedenken. Widerstand hatte es sogar schon im Bundesrat gegeben. Später sprach sich auch die Rechtskommission des Nationalrats gegen die Vorlage aus. Grund: Sie sei «nicht behandlungsreif».
Zu diesem Schluss ist jetzt auch die WAK gekommen. Im Hinblick auf diese erste Beratung seien bereits über 90 Anträge eingereicht worden, darunter zahlreiche Prüfaufträge, schreibt Kommissionspräsident und Mitte-Nationalrat Leo Müller (64) in einer Mitteilung vom Mittwoch. «Für die Kommissionsmehrheit hat sich bei deren Vorbereitung gezeigt, dass die Totalrevision noch nicht behandlungsreif ist.» Eine fundierte Beratung im Parlament sei somit unmöglich.
Grosse Vorbehalte auch beim Personal
Vor allem die Kantone waren dagegen Sturm gelaufen. Ihr Vorwurf: Das Gesetz sei gar nicht erst verfassungskonform. Der Bund missachte damit die Polizeihoheit der Kantone und verschaffe den Zöllnern neu polizeiliche Zuständigkeiten.
Kritik gibt es auch an der Ausbildung zum Fachspezialisten Zoll und Grenzsicherheit. Heute prüfen Zöllner Waren – Personen werden von Grenzwächtern kontrolliert. Künftig soll eine Person beides tun. Daher werden Zollfachleute auch an der Waffe ausgebildet. Zwar wurde stets beteuert, keiner werde zum Tragen einer Waffe gezwungen. Dennoch gibt es beim Personal grosse Vorbehalte.
Gleichzeitig kritisierte die Politik, die Reorganisation des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) laufe bereits. Damit habe der Bund dem Entscheid des Parlaments vorgegriffen. Dafür gab es auch von der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats einen gehörigen Rüffel.
Alle Rettungsversuche ohne Erfolg
Finanzministerin Keller-Sutter hat alles unternommen, um das Gesetz noch zu retten. So liess sie eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des ehemaligen Aargauer SP-National- und Regierungsrats Urs Hofmann (66) die Probleme analysieren und Lösungsvorschläge ausarbeiten. Dieser konnte zwar Differenzen zwischen Bund und Kantonen ausräumen, dennoch blieben zu viele Punkte offen.
Mitte Mai ging FDP-Bundesrätin dann noch einen Schritt weiter und trennte sich vom umstrittenen Zollchef Christian Bock (55) – in gegenseitigem Einvernehmen. Beim Personal soll das Aufatmen zwar gross gewesen sein. Doch auch das Ziehen dieser Notbremse hat den Umbau von Zoll und Grenzwache nicht mehr vor dem Absturz bewahren können.
Die Rückweisung durch die zuständige Nationalratskommission bedeutet einen Rückschlag. Das ist auch den Parlamentariern bewusst. Gerechnet wird mit einer Verzögerung von zwei bis drei Jahren. Mühsam und teuer dürfe es gerade auch für international tätige Unternehmen werden, die schon seit Jahren auf eine Überarbeitung des Zollgesetzes warten.