Die Städte stehen auf die Bremse. Um das Nebeneinander von Fussgängern, Automobilisten, dem ÖV, den Velofahrerinnen und der E-Trottinett-Nutzer zu verbessern, machen sich nach dem Schweizerischen Städteverband auch die städtischen Verkehrsdirektorinnen und -direktoren stark für Tempo 30.
Die Städtekonferenz Mobilität (SKM) will mit der generellen Geschwindigkeitsbegrenzung bei Tempo 30 auf städtischem Gebiet den Strassenlärm reduzieren und die Verkehrssicherheit erhöhen. Wie der Bundesrat auf eine Interpellation von SVP-Nationalrat Walter Wobmann (65) vergangene Woche schrieb, wird durch die Senkung der Geschwindigkeit von Tempo 50 auf 30 die Verkehrssicherheit stark erhöht.
Deutlich weniger Unfälle
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) hat dargelegt, die Einführung von Tempo 30 reduziere die Zahl schwerer Unfälle im Vergleich zu Tempo 50 im Schnitt um 38 Prozent.
Und die BFU-Daten zeigen zudem: Die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung steigt mit höherer Geschwindigkeit. Die Gefahr, sich bei einem Unfall zu verletzen oder gar getötet zu werden, liegt innerorts auf einer Strasse, mit Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde, bei 22 Prozent. Mit Tempo 50 liegt sie bereits bei 36 Prozent. Das sei der Physik geschuldet: Je geringer die Geschwindigkeit, umso geringer die Energie, die bei einem Aufprall wirkt.
Zudem: Dank geringerer Geschwindigkeit und damit kürzerem Bremsweg können Zusammenstösse auch öfter verhindert werden.
ÖV soll Vorfahrt haben
Eine Temporeduktion bedeutet für die SKM eine Lärmreduktion an der Quelle, wie sie in ihrer Medienmitteilung schreibt. Zudem brächten tiefere Geschwindigkeiten im Strassenverkehr weitere Pluspunkte: So könne der öffentliche Raum anders genutzt werden, zum Flanieren oder eben zum Velofahren, so die Konferenz.
Gerade für Kinder erhöht sich die Sicherheit, wenn Autolenkerinnen und Motorradfahrer im Quartier mit reduzierter Geschwindigkeit fahren, aber auch auf der Hauptstrasse, die sie auf dem Weg zur Schule kreuzen müssen. Zudem verbessere Tempo 30 den Verkehrsfluss in den Städten.
Die Städtekonferenz Mobilität unterstreicht ausserdem, eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Kilometer pro Stunde auf den Hauptverkehrsachsen könne mit einem gut funktionierenden ÖV vereinbart werden. Mögliche Zeitverluste, die die Temporeduktion mit sich bringen, können laut Mobilitätsexperten beispielsweise durch eine Bevorzugung der Busse an den Ampeln kompensiert werden.
Lärm- und Abgasreduktion
Die Fachleute betonen weiter, viele Stadtbewohner forderten eine Lärm- und Abgasreduktion. Die Anwohner sind häufig zu Fuss, mit dem ÖV oder dem Velo in den Innenstädten unterwegs. Und auch verschiedene Pendler kommen mit dem Zug in den Zentren zur Arbeit.
Dennoch erntete der Städteverband einige Kritik, als seine Tempo-30-Pläne öffentlich wurden. Neben dem Kritikpunkt, auch der öffentliche Verkehr würde unter einer Temporeduktion leiden – was umstritten ist –, bemängeln verschiedene Kreise, die Hauptstrassen gehörten oft gar nicht zu den Städten, sondern seien in der Verantwortung der Kantone. Diese würden sich gegen Tempo 30 auf diesen Strassen aussprechen.
Stop-and-go
Tatsächlich müssen die Kantone auch die Anliegen der Einwohnerschaft der Agglomerationsgemeinden berücksichtigen. Nicht alle Pendler wollen oder können den ÖV nutzen. Für sie ist es zentral, dass sie mit dem Auto morgens rasch in die Stadt zur Arbeit kommen und abends wieder heim. Ihnen halten die Verkehrsexperten entgegen, dass sie bei stop-and-go während der Hauptverkehrszeiten auch nicht schneller bei der Arbeit seien – zumal nicht immer gewährleistet ist, dass die Arbeitnehmenden auch gleich einen Parkplatz finden.
Zudem ist es durchaus gewollt, dass die Leute, gerade in der Rushhour, auf den ÖV umsteigen. Und mit der Annahme des revidierten Raumplanungsgesetzes habe das Volk 2013 sich eben gerade dafür ausgesprochen, dass Wohnraum im urbanen Gebiet entstehen soll und dafür nicht die Landschaft verbaut wird. Das wird auch als ein Zeichen gegen stetig anwachsende Pendlerströme gewertet.
Ausnahmen mit Blaulicht
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Klar ist: Nicht nur der ÖV soll bevorzugt werden, sondern es soll auch Ausnahmen für Polizei- und Krankenwagen geben, die mit Sirene und Blaulicht im Ernstfall schneller fahren können sollen.