Die Städte drücken auf die Bremse. Auf ihren Strassen soll grundsätzlich Tempo 30 gelten – auch auf Hauptstrassen, so die Forderung des Städteverbands. Erstens verursache der Strassenlärm gesundheitliche Schäden, und zweitens verhindere er die Entwicklung im urbanen Raum: «Viele Projekte werden wegen Lärmeinsprachen blockiert», erklärte der freisinnige Frauenfelder Stadtpräsident Anders Stokholm (56) in der «NZZ am Sonntag».
Doch ausgerechnet die urbane SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) schubst dem Städteverband den Fuss vom Bremspedal. Kurz vor ihrem Abgang hat sie Lockerungen im Umweltgeschutzgesetz aufgegleist, die Lärmschutz und Siedlungsentwicklung besser aufeinander abstimmen sollen.
Und damit nimmt sie den Städten ein wichtiges Argument für Tempo 30, wie «CH Media» berichtet. Denn mit der Lockerung werden die Lärmschutzvorschriften für Neubauten gelockert. Damit könnte also auch ohne Tempo 30 wieder mehr gebaut werden.
Zurück zur «Lüftungsfensterpraxis»
Konkret will der Bundesrat die «Lüftungsfensterpraxis» ins Gesetz schreiben, die das Bundesgericht 2016 für unzulässig erklärt hatte. Statt bei allen Fenstern soll der Lärmschutzgrenzwert nur noch bei mindestens der Hälfte der Zimmer eingehalten werden müssen. Damit würden Wohnbauprojekte wieder bewilligungsfähig, wenn beispielsweise die Schlafzimmer auf der Hofseite liegen. In lärmbelasteten Gebieten soll das Bauen künftig auch ohne Ausnahmebewilligung möglich sein. Alleine in Zürich könnten so Hunderte von auf Eis gelegten Wohnungen erstellt werden, wie die «NZZ» schreibt.
«Die Lüftungsfensterpraxis würde die Lärmproblematik entschärfen und ohne Tempo 30 viele Wohnungen wieder bewilligungsfähig machen», freut sich Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler (64) bei «CH Media».
Tempo 30 nicht vom Tisch
Vom Tisch ist flächendeckendes Tempo 30 aber nicht. Die Städte werden sich weiterhin für die Massnahme wehren. Nicht nur, weil es auch für die Bewohnerinnen und Bewohner von Altbauten weniger Lärm geben soll, sondern etwa auch wegen der Verkehrssicherheit. «Sie ist die wirkungsvollste, kostengünstigste und am einfachsten umsetzbare Massnahme, damit Städte sich in Bezug auf Lebensqualität und Wohlstand entwickeln können und der Wohlstand gewährleistet wird», sagt Städteverbandspräsident Stokholm. (rus)