Die Lage an der Corona-Front verschärft sich, und viele Spitäler wechseln bereits in den Krisenmodus. Kein Wunder, machten die Gesundheitsdirektoren bei einem Treffen mit Bundesrat Alain Berset (49) «dringenden Handlungsbedarf» aus, wie GDK-Präsident Lukas Engelberger (46) an einer Medienkonferenz sagte.
Genauer wurde Engelberger mit Verweis auf die laufende Konsultation nicht. Bis heute Abend haben die Kantone Zeit, Stellung zu den vom Bundesrat vorgeschlagenen Verschärfungen zu beziehen. Mehrere Kantone haben ihre Position bereits öffentlich gemacht. Das sind die Reaktionen zu Vorschlägen des Bundesrats:
Aktuelle Situation
Die Mehrheit der Kantone, die bis jetzt öffentlich Stellung bezogen haben, befürworten grundsätzlich das Vorgehen des Bundesrats und sehen Handlungsbedarf. Besonders die welschen Kantone rufen den Bundesrat auf, rasch weitere Verschärfungen durchzusetzen. Man der Ansicht sei, dass die Zirkulation des Virus «unbedingt eingedämmt und die Zahl der Infektionen und Spitaleinweisungen reduziert werden muss», schreibt die Freiburger Regierung. Aber auch Obwalden ist der Überzeugung, dass weitergehende Massnahmen angezeigt seien.
Generelle Opposition leistet hingegen Baselland: Man sei mit der Ergreifung weiterer Massnahmen «derzeit nicht einverstanden», teilt die Regierung klipp und klar mit. Derzeit bestehe in der Nordwestschweiz kein dringender Handlungsbedarf – ausser an Schulen, und das sei Sache der Kantone. Auch Uri macht in seiner Stellungnahme klar, dass man nationale Verschärfungen derzeit noch nicht als notwendig erachtet.
2G-Regelung oder Teil-Lockdown
Der Bundesrat schlägt eine umfassende 2G-Regelung in Innenräumen samt Maskenpflicht vor. Dort, wo Maskentragen und Sitzpflicht nicht möglich ist, soll eine 2G-plus-Regel gelten – Geimpfte und Genesene müssten also zusätzlich ein negatives Testergebnis vorweisen können. Die Alternative: ein Teil-Lockdown – also die Schliessung aller Betriebe, in denen keine Maske getragen werden kann.
Für viele Kantone geht bereits die erste Variante, die der Bundesrat vorschlägt, zu weit. Besonders auf Widerstand stösst 2G+. Für Waadt, Freiburg, Neuenburg, Baselland, Nidwalden oder das Tessin kommt nicht infrage, dass Geimpfte und Genesene für einen Club- oder Barbesuch zusätzlich einen negativen Test sollen vorweisen müssen. Dies sei «weder wirtschaftlich tragbar noch für die Geimpften verständlich», argumentiert die Freiburger Regierung. Basel-Stadt und Zürich sind zwar grundsätzlich für 2G+, Geboosterte sollen aber auch ohne Test Zutritt haben. Die Walliser Regierung wiederum möchte Fitnesszentren von 2G+ ausnehmen, ebenso wie Chöre und Musikvereine. Uri und Nidwalden geht bereits 2G zu weit. Die Kantonsregierungen der beiden Innerschweizer Kantone fordert eine Ausnahme für Restaurants: Dort soll weiterhin nur 3G gelten.
Aargau, Solothurn, Schaffhausen und Obwalden stehen hingegen hinter dem Bundesrats-Vorschlag. Solothurn erachtet «eine rasche und umfassende 2G-Regel als dringend notwendig, damit die Überlastung der Spitäler und Schliessung von Betrieben verhindert werden kann». Auch die 2G-Plus-Regel hält die Kantonsregierung für «sinnvoll».
Ein Teil-Lockdown stösst bei den Kantonen, die bisher ihre Stellungnahme veröffentlicht haben, hingegen zum jetzigen Zeitpunkt auf Ablehnung. Solothurn aber schreibt: «Sollte sich die epidemiologische Lage weiter verschlechtern, insbesondere wegen der Omikron-Variante, werden Schliessungen von gewissen Betrieben ins Auge gefasst werden müssen.» Basel-Stadt findet sogar, dass – sollte sich die Situation an den Spitälern weiter verschärfen, ein Teil-Lockdown «breiter anzusetzen» sei, um genügend wirksam zu sein.
Fünfer-Regel für private Treffen
Der Bundesrat will private Treffen auf fünf Personen beschränken, sobald eine Ungeimpfte oder ein Ungeimpfter über 16 Jahren dabei ist.
Solothurn unterstützt die Idee. Ebenso Graubünden: «Da sich die meisten Personen im familiären Umfeld anstecken, stellt dies grundsätzlich die zielführendste Massnahme dar.» Die Kanton Waadt und Freiburg hingegen möchte hier weniger streng sein und die Obergrenze bei 10 Personen festlegen. Aargau, Basel-Stadt, Luzern und Schaffhausen sprechen sich dafür aus, dass lediglich eine «dringliche Empfehlung» ausgesprochen wird. Uri lehnt Einschränkungen privater Treffen generell ab. Auch die Tessiner Kantonsregierung ist dagegen. Die Massnahme sei unverhältnismässig und nicht kontrollierbar. Letzteres monieren auch diejenigen Kantone, die sich generell für die Massnahme aussprechen.
Neuenburg schlägt als Kompromiss vor, dass private Treffen auf maximal zehn Personen beschränkt werden sollen – egal ob geimpft, genesen oder nichts von beidem.
Homeoffice-Pflicht
Der Bundesrat möchte wieder eine Homeoffice-Pflicht einführen. Derzeit gilt lediglich eine dringende Empfehlung, wenn möglich von daheim aus zu arbeiten.
Graubünden, Uri, Aargau, Basel-Stadt, Solothurn, Luzern, Neuenburg und Wallis sind grundsätzlich damit einverstanden. Ebenso die Kantone Waadt und Obwalden, wobei sie Ausnahmen für Genesene und Geimpfte fordern. «Die Homeoffice-Pflicht wird zu einer Einschränkung der Mobilität führen, was aktuell äusserst wichtig ist», begründet die Aargauer Regierung ihre Zustimmung.
Baselland sieht derzeit keine Notwendigkeit für eine Homeoffice-Pflicht. Auch Zürich, das Tessin, Freiburg und Schaffhausen sind dagegen.
Uni-Fernunterricht
Universitäten und Fachhochschulen sollen zum Fernunterricht zurückkehren, findet der Bundesrat.
Viele Kantonen sind anderer Meinung, Zürich, Graubünden, Baselland, Basel-Stadt, Freiburg und Neuenburg sträuben sich gegen Fernunterricht. «Der Präsenzunterricht muss zwingend beibehalten werden», schreiben die Bündner. Kritisch äussert sich auch Uri. Befürwortet wird die Rückkehr zum Fernunterricht vom Aargau, Luzern, Obwalden und Wallis. Einige Kantone schlagen als Alternative vor, 2G auch für Hochschulen einzuführen.
Maskenpflicht ab Sekundarstufe II
Ab der Sekundarstufe II – also der Stufe Gymnasien und Berufsschulen – soll die Maske schweizweit wieder obligatorisch werden, findet die Landesregierung. Stand jetzt können die Kantone selbst entscheiden, ob und ab welcher Klasse eine Maskenpflicht herrschen soll.
Die allermeisten Kantone sprechen sich zwar für eine Maskenpflicht ab der Sek II aus – schliesslich gehen die meisten Kantone sowieso bereits weiter. Einige wollen aber nicht, dass der Bund ihnen diesbezüglich Vorgaben macht. Das Schulwesen soll in kantonaler Hoheit bleiben.
Unterstützung bekommt der Vorschlag des Bundesrats unter anderem aus Zürich, Aargau, Solothurn, Graubünden, Obwalden und Neuenburg. Mehrere Kantone würden es befürworten, wenn der Kanton die Maskenpflicht schon aber einer tieferen Schulstufe – vorgeschlagen wird ab der 5. Klasse – verbindlich machen würde.
Bundesrat entscheidet am Freitag
Berset machte am Montag klar, dass er weitere Verschärfungen für nötig hält. Die in den letzten Wochen ergriffenen Massnahmen hätten noch nicht die gewünschte Wirkung entfaltet, sagte er vor den Medien. Sie würden wohl nicht ausreichen – das zeige auch der Vergleich zum Ausland. Ein Entscheid dürfte am Freitag fallen.
Berset hielt fest, dass die Kantone auch selbst handeln können, wenn sie dies für notwendig erachten. Mehrere Kantone haben bereits schärfere Massnahmen beschlossen, als derzeit national gelten.