Sechs Tage alt sind die jüngsten Massnahmen, die der Bundesrat zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ergriffen hat. Und schon sind sich die drei Landesmütter und vier Landesväter nicht mehr sicher, dass die Ausweitung von Zertifikats- und Maskenpflicht ausreicht, um die fünfte Welle zu brechen. «Vorsorglich», wie Gesundheitsminister Alain Berset (49) betonte, schlugen sie am Freitag weitere Verschärfungen vor.
Herzstück des Pakets ist die flächendeckende Einführung von 2G – die der Bundesrat vor zwei Wochen noch dezidiert abgelehnt hatte. Nun sollen in Restaurants, Kinos, Fitnesscentern und Clubs – kurz: überall dort, wo heute eine 3G-Zertifikatspflicht herrscht – Ungeimpfte keinen Zutritt mehr haben.
Zwei Varianten im Spiel
Trotzdem soll dort Maskenpflicht gelten, gegessen und getrunken werden darf nur im Sitzen. Wer will, kann noch weitergehen und von Genesenen und Geimpften zusätzlich einen negativen Test verlangen. Im Gegenzug für dieses 2G+ würde die Masken- und Sitzpflicht entfallen.
Das ist die Soft-Variante. Die andere, die Berset vorschlägt, hat es in sich: Orte, an denen Maskenpflicht nicht möglich ist, sollen trotz 2G ganz dichtmachen. Im Wesentlichen würde das einen Gastro- und Fitness-Lockdown bedeuten.
Einschränkungen auch im Privaten
Ausserdem schlägt der Bundesrat nochmals die Homeoffice-Pflicht vor, zudem eine Maskenpflicht in Schulen ab Sekundarstufe II. Einschreiten will er auch bei privaten Treffen: So sollen sich drinnen maximal 30 Personen, draussen maximal 50 Personen treffen dürfen. Ist bei Treffen in Innenräumen eine ungeimpfte Person anwesend, wird die maximale Anzahl Teilnehmer auf fünf Personen beschränkt.
Wird das reichen? Oder muss der Bundesrat kurz vor Weihnachten noch nachbessern? Ausschliessen wollten das am Freitag weder Berset noch Bundespräsident Guy Parmelin (62). «Gerne hätte ich zu Ende meines Präsidialjahrs das Ende der Pandemie und aller Massnahmen verkündet, leider ist nun das Gegenteil der Fall», sagte dieser.
Es ist ein Déjà-vu
Es ist eine Art Déjà-vu: Anfang Oktober 2020 bahnte sich die zweite Corona-Welle an. Innerhalb von 20 Tagen verzehnfachten sich die Neuinfektionen, von 603 am 1. Oktober auf 6493 am 21. Oktober.
Der Bundesrat reagiert: Ab 19. Oktober empfiehlt er Homeoffice, ordnet eine Sitzpflicht in der Gastronomie an, verbietet Menschenansammlungen von mehr als 15 Personen. Zehn Tage später doppelt er nach, schloss Clubs und Discos, verordnet Beizen eine Sperrstunde um 23 Uhr und verbietet private Treffen mit mehr als zehn Personen.
Nachbessern, nachbessern, nachbessern
Die Zahlen sinken. Aber wohl nicht genug: Schon ab 9. Dezember verordnet die Landesregierung Kapazitätsbeschränkungen für Läden und empfiehlt dringlich, private Treffen auf zwei Haushalte zu beschränken. Ab 12. Dezember müssen Restaurants und Läden um 19 Uhr schliessen, Veranstaltungen werden verboten, Freizeit-Aktivitäten dürfen nur noch zu fünft stattfinden.
Und noch immer ist es nicht genug: Am 22. Dezember werden Gastronomie und Freizeitbetriebe komplett geschlossen, am 13. Januar kommt der Laden-Lockdown, die Homeoffice-Pflicht und das Verbot, sich mit mehr als fünf Menschen zu treffen. Erst dann sinken die Neuansteckungen unter 2000 am Tag.
Der Druck in den Spitälern steigt
Die Zahl der Neuinfektionen ist aktuell viel höher als vor zwölf Monaten. Doch damals wie heute ist es die Belastung der Spitäler, die den Bundesrat zum Handeln zwingt: Zwar war die Zahl der täglichen Corona-Hospitalisierungen 2020 deutlich höher. Wurden vor einem Jahr durchschnittlich 170 Covid-Patienten am Tag ins Spital eingewiesen, sind es derzeit um die 95.
Dennoch sind die Intensivstationen heute stärker beansprucht als vor zwölf Monaten. «Die zum Voraus vorhandenen Reserven haben deutlich abgenommen», sagte Andreas Stettbacher, Delegierter des Koordinierten Sanitätsdiensts, am Freitag. Weil nicht mehr genügend Personal vorhanden ist, diese zu betreuen.
Ausserdem nimmt der Anteil Corona-Patienten zu. Waren vor einem Monat nur 13 Prozent der Intensivbetten durch Covid-Patienten belegt, sind es nun schon 31,3 Prozent. Oder in absoluten Zahlen: 289. Und das bei 140 freien Betten. Wie Stettbacher sagt, verdoppelt sich die Anzahl von Covid-Patienten derzeit alle 24 Tage. Geht das so weiter, gibt es in zwei Wochen kein Intensivbett mehr.